Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
der von edler Geburt und vornehm sei und sich im Dienst Seiner M…t des K. von Pr. ausgezeichnet habe. Ich werde nicht verraten, wer der Verfasser dieser Meldungen war, und auch nicht, wie zwei Bilder (eines stellte mich dar und trug den Titel «Der preußische Ire», das andere Lady Lyndon als «Die Gräfin von Ephesus») ins «Town and Country Magazine» gelangten, das in London erschien
und den Klatsch der vornehmen Gesellschaft veröffentlichte.
Von dieser ständigen Beschäftigung mit ihr war Lady Lyndon so verwirrt und entsetzt, dass sie beschloss, das Land zu verlassen. Dies tat sie dann auch; und wer war wohl der Erste, der sie bei der Landung in Holyhead begrüßte? Ihr gehorsamer Diener Redmond Barry, Esquire. Und um allem die Krone aufzusetzen, verkündete der Dubliner «Mercury», der Myladys Abreise meldete, die meine einen Tag davor. Natürlich glaubte jedermann, sie sei mir nach England gefolgt, während sie doch nur vor mir fliehen wollte. Eitle Hoffnung! Ein Mann von meiner Entschlossenheit lässt sich nicht auf diese Weise am Erreichen seiner Ziele hindern. Wäre sie zu den Antipoden geflohen, hätte ich sie dort begrüßt, und wahrlich, ich wäre ihr so weit gefolgt wie Orpheus seiner Eurydike! 348
Mylady hatte in London ein Haus am Berkeley Square, prächtiger als jenes, welches sie in Dublin besaß, und da ich wusste, dass sie dorthin kommen würde, reiste ich ihr in die englische Hauptstadt voraus und mietete eine hübsche Wohnung ganz in der Nähe, in der Hill Street. In ihrem Londoner Haus nutzte ich dieselben Informationsquellen wie in Dublin. Derselbe
getreue Pförtner war dort und versorgte mich mit allen gewünschten Nachrichten. Ich versprach, seinen Lohn zu verdreifachen, sobald ein gewisses Ereignis stattfände. Durch ein Geschenk von hundert Guineen in bar und die Verheißung weiterer zweitausend beim Eheschluss gewann ich Lady Lyndons Gesellschafterin, und ein Bestechungsgeld in ähnlicher Höhe trug mir die Gunst ihrer Lieblingszofe ein. Mein Ruf war mir in London so weit vorausgeeilt, dass bei meiner Ankunft viele der Vornehmsten begierig waren, mich bei ihren Festlichkeiten zu empfangen. In diesen öden Zeiten kann man sich kaum noch vorstellen, welch fröhlicher, glänzender Ort London damals war; welche Spielleidenschaft Junge und Alte, Männer und Frauen hegten; wie viele Tausende in einer einzigen Nacht gewonnen und verloren wurden; welche Schönheiten es dort gab – so strahlend, fröhlich und elegant! Alle waren entzückend verrucht. Die königlichen Herzöge von Gloucester und Cumberland 349 gingen mit gutem Beispiel voran, die Adligen folgten ihnen auf den Fuß. Durchzubrennen war ganz groß in Mode; ach, es war eine ersprießliche Zeit, und glücklich jener, der Feuer, Jugend und Geld hatte, sie zu erleben! Ich hatte all dies, und die
alten Stammgäste von «White», «Wattier» und «Goosetree» 350 könnten Geschichten über den Schneid, den Witz und die Vornehmheit von Hauptmann Barry erzählen.
Die Entwicklung einer Liebesgeschichte ist langweilig für alle, die nicht unmittelbar betroffen sind, und ich überlasse derlei den Verfassern von Groschenromanen und den jungen Fräulein in Pensionaten, für die jene schreiben. Ich habe nicht die Absicht, Schritt für Schritt in allen Einzelheiten meine Werbung aufzuführen oder von allen Schwierigkeiten zu erzählen, mit denen ich zu kämpfen hatte, und auch nicht von der triumphalen Art, in der ich sie überwand. Es mag die Feststellung genügen, dass ich diese Schwierigkeiten meisterte. Wie mein Freund, der verstorbene, einfallsreiche Mr Wilkes, 351 bin ich der Meinung, dass derlei Hindernisse im Leben eines beherzten Mannes nicht zählen und dass er Gleichgültigkeit und Abneigung in Liebe verwandeln kann, wenn er nur genügend Beharrlichkeit und Klugheit besitzt. Als die Trauerzeit 352 der Gräfin endete, hatte ich Wege gefunden, in ihrem Haus empfangen zu werden; ich sorgte dafür, dass ihre Frauen unaufhörlich zu meinen Gunsten sprachen, meine Fähigkeiten priesen, sich über meinen Ruf ausließen und
mit meinen Erfolgen und meiner Beliebtheit in der vornehmen Welt angaben.
Überdies waren die besten Helfer bei der Durchführung meiner zarten Werbung die edlen Verwandten der Gräfin, die gar nicht wussten, welchen Dienst sie mir erwiesen; mit Verlaub möchte ich ihnen meinen aufrichtigen Dank für die Schmähungen aussprechen, mit denen sie mich überhäuften, und meine gänzliche Verachtung für die
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