Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
du mühelos heim. Und wenn du Mylady siehst,
deine Mama, richte ihr Empfehlungen von Hauptmann Donner aus und sag ihr, Miss Amelia Kiljoy wird heiraten.»
«Lieber Himmel!», seufzte die junge Dame.
Der Wagen fuhr schnell weiter, und der arme kleine Aristokrat blieb allein auf weiter Heide zurück, als eben der Morgen anbrach. Er war recht verängstigt – kein Wunder. Er dachte daran, hinter dem Wagen herzurennen, aber der Mut und seine kurzen Beine ließen ihn im Stich; deshalb setzte er sich auf einen Stein und weinte vor Ärger.
So geschah es, dass Ulick Brady eine Ehe einging, die ich sabinisch 346 nennen möchte. Als er mit seinen beiden Gesellen vor der Hütte hielt, in welcher die Zeremonie vollzogen werden sollte, weigerte der Kaplan, Mr Runt, sich zunächst, sie vorzunehmen. Aber man hielt dem unglücklichen Erzieher eine Pistole an den Kopf und drohte unter furchtbaren Flüchen, man werde ihm sein elendes Hirn herausblasen; darauf erklärte er sich bereit, die Messe zu lesen. Der lieblichen Amelia wurde höchstwahrscheinlich ein ähnlicher Köder vorgehalten, aber darüber weiß ich nichts; denn sobald wir die Hochzeitsgesellschaft ausgeladen hatten, fuhr ich mit dem Kutscher zurück in die
Stadt und stellte zu meiner Befriedigung fest, dass Fritz, mein Deutscher, vor mir eingetroffen war – in meiner Kutsche und meiner Kleidung, ohne die Maske zu lüften; er hatte alles gemäß meinen Anweisungen erledigt.
Der arme Runt kam am nächsten Tag in einem jämmerlichen Zustand heim und schwieg, was seinen Anteil an den nächtlichen Ereignissen betraf; er erzählte nur eine trübselige Geschichte, dass er betrunken gewesen sei, dass man ihm aufgelauert und ihn gefesselt habe, dass er auf der Straße zurückgelassen und von einem Karren aus Wicklow aufgelesen worden sei, der mit Vorräten nach Dublin unterwegs war und ihn hilflos auf der Straße gefunden habe. Es war ganz unmöglich, mich irgendwie mit der Verschwörung in Verbindung zu bringen. Der kleine Bullingdon, der auch nach Hause gelangte, konnte mich in keiner Weise identifizieren. Dennoch wusste Lady Lyndon, dass ich an dem verwegenen und einfallsreichen Unterfangen beteiligt gewesen war, denn als ich Mylady am folgenden Tag begegnete, da sie eilig zum Schloss unterwegs war und die ganze Stadt erregt über das enlèvement 347 redete, grüßte ich sie mit einem derart diabolischen Lächeln, dass ihr alles klar sein musste.
So konnte ich Ulick Brady die Freundlichkeit, die er mir in meiner Jugend entgegengebracht hatte, vergelten und hatte die Befriedigung, einem Zweig meiner Familie, der dies verdiente, wieder zu Vermögen zu verhelfen. Er nahm seine Braut mit nach Wicklow, wo er mit ihr in strikter Abgeschiedenheit lebte, bis über die Affaire Gras gewachsen war – die Kiljoys suchten allenthalben vergebens, seine Zuflucht zu ermitteln. Einige Zeit wussten sie nicht einmal, wer denn der Glückliche war, der die Erbin erbeutet hatte. Erst als sie einige Wochen später einen Brief schrieb, mit Amelia Brady unterzeichnete und mitteilte, dass sie in diesen neuen Umständen vollkommen glücklich und von Lady Lyndons Kaplan, Mr Runt, vermählt worden sei, kam die Wahrheit ans Licht, und mein ehrenwerter Freund gestand seine Beteiligung an der Transaktion ein. Da seine gutmütige Herrin ihn nicht sogleich entließ, wurde allgemein angenommen, die arme Lady Lyndon sei in das Komplott eingeweiht gewesen, und die Geschichte von Myladys leidenschaftlicher Zuneigung zu mir gewann immer mehr an Glaubwürdigkeit.
Ich zauderte natürlich nicht, aus diesen Gerüchten Nutzen zu ziehen. Alle meinten, ich hätte Anteil an der Brady-Ehe; allerdings konnte
keiner es beweisen. Alle meinten, ich stünde auf bestem Fuß mit der verwitweten Gräfin; allerdings konnte keiner behaupten, ich hätte dies gesagt. Es gibt jedoch Möglichkeiten, etwas sogar zu beweisen, indem man ihm widerspricht, und ich lachte und scherzte so über dieses Thema, dass mir alle zu meinem großen Glück das Beste zu wünschen begannen und mich als den Verlobten der vermögendsten Erbin im Königreich betrachteten. Die Zeitungen griffen es auf, Lady Lyndons Freundinnen machten ihr Vorwürfe und riefen «Pfui!».
Sogar die damals sehr skandalträchtigen englischen Journale und Magazine behandelten die Angelegenheit und raunten, eine schöne, hochrangige Witwe mit einem Titel und den größten Besitzungen in beiden Königreichen sei im Begriff, ihre Hand einem jungen Gentleman zu schenken,
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