Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
dorthin, den er zweifellos bald antreten würde, ohne jede Mühe selbst finden werde. Er hatte diesen Weg ja schon früh eingeschlagen; von allen gewalttätigen, verwegenen, aufsässigen Taugenichtsen, die je einem liebevollen Vater Kummer bereitet haben, war er gewiss der unverbesserlichste und weder durch Prügel noch durch gutes Zureden zu zähmen.
So begann Mylord zum Beispiel oft mit seinen heftigen, unbotmäßigen Sarkasmen mir gegenüber, sobald der Hauslehrer meinen kleinen Sohn ins Zimmer brachte, wo wir nach dem Essen beim Wein saßen.
«Liebes Kind», sagte er dann, wobei er ihn zu streicheln und zu liebkosen begann, «was für ein Jammer es für dich ist, dass ich nicht tot bin! Die Lyndons hätten dann einen würdigeren Vertreter und könnten alle Vorzüge des erlauchten
Blutes der Barrys von Barryogue genießen; stimmt das nicht, Mr Barry Lyndon?» Um mich derart unverschämt anzureden, wählte er immer die Tage, an denen Freunde, Geistliche oder Junker aus der Gegend anwesend waren.
An einem anderen Tag (es war Bryans Geburtstag) gaben wir in Hackton einen großen Ball und ein Galadiner, und es war Zeit für den kleinen Bryan, sich uns allen zu zeigen, wie er dies gewöhnlich tat, und zwar im schmucksten kleinen Höflingsanzug, den man je gesehen hat (ach, mir steigen Tränen in die alten Augen, wenn ich an die muntere Miene meines kleinen Lieblings denke); es herrschte großes Gedrängel und Gekicher, als das Kind, geführt von seinem Halbbruder, hereinkam, der (ist das zu glauben?) auf Strümpfen den Tanzsaal betrat, an der Hand den kleinen Bryan, der seinerseits in den großen Schuhen des Älteren herumwatschelte! «Finden Sie nicht, dass er meine Schuhe sehr gut ausfüllt, Sir Richard Wargrave? 433 », fragte der junge Schurke, worauf alle einander anblickten und kicherten, und seine Mutter näherte sich sehr würdevoll Lord Bullingdon, hob das Kind hoch, drückte es an die Brust und sagte: «An der Art, wie ich dieses Kind liebe, Mylord, sollten Sie erkennen, wie ich seinen
älteren Bruder geliebt hätte, wenn er sich der Zuneigung einer Mutter als würdig erwiesen hätte!» Dann brach Lady Lyndon in Tränen aus, verließ den Raum, und dieses eine Mal wirkte der junge Lord recht verlegen.
Bei einer Gelegenheit schließlich war sein Benehmen mir gegenüber so unsäglich (es war bei der Jagd und in Gegenwart vieler anderer), dass ich jede Geduld verlor, auf den Lümmel losritt, ihn mit aller Kraft aus dem Sattel hob, grob zu Boden warf, selbst absprang und ihm mit der Reitpeitsche eine derartige Züchtigung auf Kopf und Schultern verabreichte, dass es mit seinem Tod hätte enden können, wenn ich nicht rechtzeitig zurückgehalten worden wäre, denn mein Blut kochte, und ich war fähig, einen Mord oder sonst ein Verbrechen zu begehen.
Der Bursche wurde heimgebracht und ins Bett gesteckt, wo er einen Tag lang oder zwei mit Fieber lag, zurückzuführen ebenso sehr auf Wut und Ärger wie auf die verabreichte Züchtigung; und drei Tage darauf, als ich einen Diener mit der Frage in sein Zimmer schickte, ob er sich zum Familientisch begeben möge, fand sich ein Brief auf seinem Tisch, und das Bett war leer und kalt. Der junge Schurke war geflohen und hatte die Frechheit besessen, mich betreffend
das Folgende an meine Frau, seine Mutter, zu schreiben:
«Madam,
solange dies einem Sterblichen möglich war, habe ich die schlechte Behandlung durch den dreisten irischen Emporkömmling erduldet, den Sie in Ihr Bett geholt haben. Doch widern mich nicht allein seine niedrige Geburt und die allgemeine Grobheit seiner Manieren an und zwingen mich, ihn zu hassen, solange ich die Ehre habe, den Namen Lyndon zu tragen, dessen er unwürdig ist, sondern auch die schändliche Art seines Verhaltens Ihnen gegenüber, Mylady, sein brutales und einem Gentleman in keiner Weise entsprechendes Benehmen, seine offensichtliche Untreue, seine Gepflogenheiten der Ausschweifung und Trunksucht, die Schamlosigkeit, mit der er mich und Sie unseres Besitzes beraubt und betrügt.
Diese Vergehen Ihnen gegenüber schockieren und empören mich mehr als das infame Betragen dieses Grobians gegen mich. Ich hätte Ihnen wie versprochen beigestanden, Mylady, doch scheinen Sie in letzter Zeit Partei für Ihren Gatten ergriffen zu haben; und
da ich diesen minderwertigen Schurken, der, das sei zu unserer Schande gesagt, meiner Mutter Gemahl ist, nicht persönlich züchtigen kann, die Behandlung, die er Ihnen zufügt, nicht mit anzusehen vermag
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