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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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langsame, keineswegs schlagfertige Frau) sehr erzürnte – insgesamt war seine Lebensführung aufmüpfig und skandalös.Und zur Krönung des Ganzen hielt sich der Taugenichts oft in der Gesellschaft des katholischen Gemeindepriesters auf – eines armseligen Schufts aus irgendeinem papistischen Seminar in Frankreich oder Spanien –, statt mit dem Pfarrer von Castle Lyndon zu verkehren, einem am Trinity College ausgebildeten Gentleman, der eine Meute für die Jagd unterhielt und täglich seine zwei Flaschen trank.
    Aus Sorge um die Religion des Jungen zögerte ich nun nicht länger mit den nötigen Maßnahmen. Wenn ich ein Prinzip habe, das mich ein Leben lang geleitet hat, so war dies der Respekt vor der Staatskirche und eine herzhafte Verachtung und Abscheu gegenüber allen anderen Formen des Glaubens. Deshalb schickte ich im Jahre 17-- meinen französischen Leibdiener nach Dublin mit dem Auftrag, den verkommenen Jungen nach England zu holen, und dem Bericht
zufolge, den ich erhielt, verbrachte der Knabe die ganze letzte Nacht seines Aufenthalts in Irland mit seinen papistischen Freunden in ihrem Bethaus; es hieß darin auch, er und meine Mutter hätten sich am letzten Tag heftig gestritten; andererseits habe er Biddy und Dosy geküsst, ihre beiden Nichten, die sehr betrübt über seine Abreise wirkten; und als man ihn aufforderte, den Pfarrer aufzusuchen, habe er sich strikt geweigert und gesagt, das sei ein böser alter Pharisäer, über dessen Schwelle er nie einen Fuß setzen werde. Der Doktor schrieb mir einen Brief, in dem er mich vor den beklagenswerten Irrungen des «ruchlosen Dämons», wie er ihn nannte, warnte, und ich konnte sehen, dass es zwischen ihnen keine Zuneigung gab. Der junge Bullingdon, wiewohl von den besseren Leuten des Landes nicht geschätzt, schien große Beliebtheit beim gewöhnlichen Volk zu genießen. Eine regelrechte Menschenmenge umstand weinend das Tor, als sein Wagen abfuhr. Dutzende der blöden, verkommenen Wichte liefen meilenweit neben der Kutsche her, und einige stahlen sich sogar vor seinem Aufbruch fort und tauchten beim Pigeon House 432 in Dublin auf, um ihm ein letztes Lebewohl zu entbieten. Nur mit beträchtlicher Mühe konnte man einige dieser
Leute daran hindern, sich im Schiff zu verbergen und ihren jungen Lord nach England zu begleiten.
    Um dem jungen Schuft Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Als er zu uns kam, war er ein mannhafter Bursche von edler Erscheinung, und in seiner Haltung und seinem Äußeren wies alles auf das noble Blut hin, dem er entstammte. Wie aus dem Gesicht geschnitten glich er einigen der dunkelhaarigen Kavaliere der Lyndon-Sippe, deren Bilder in der Galerie zu Hackton hingen, wo der Junge gern den größten Teil seiner Zeit verbrachte und sich mit den staubigen alten Scharteken befasste, die er aus der Bibliothek holte; einen jungen Mann mit Geist über derlei brüten zu sehen, empfinde ich als abscheulich. In meiner Gesellschaft wahrte er immer striktes Schweigen und setzte eine hochmütige, verächtliche Miene auf, was umso unangenehmer war, als ich in seinem Verhalten sonst nichts wirklich Tadelnswertes fand, wenn auch sein Betragen insgesamt unverschämt und hochgradig überheblich war. Seine Mutter war sehr aufgeregt, als sie ihn bei seiner Ankunft empfing; wenn er irgendeine Erregung verspürte, zeigte er sie jedenfalls nicht. Er verbeugte sich sehr tief und förmlich, als er ihr
die Hand küsste, und als ich meine ausstreckte, verschränkte er die Hände hinter dem Rücken, starrte mir voll ins Gesicht, senkte dann den Kopf und sagte: «Mr Barry Lyndon, nehme ich an», drehte sich auf dem Absatz um und begann, mit seiner Mutter, die er immer «your ladyship» nannte, über das Wetter zu reden. Sie war sehr verärgert ob der Dreistigkeit seiner Haltung, und als sie allein waren, tadelte sie ihn streng, weil er seinem Vater nicht die Hand geschüttelt hatte.
    «Meinem Vater, Madam?», sagte er. «Zweifellos irren Sie sich. Mein Vater war der Ehrenwerte Sir Charles Lyndon. Andere mögen ihn vergessen haben, ich aber nicht.» Dies war eine Kriegserklärung an mich, wie ich sogleich begriff; dazu darf ich bemerken, dass ich durchaus willens war, den Jungen bei seinem Eintreffen bei uns zu empfangen und mit ihm auf freundschaftlichem Fuß zusammenzuleben. Aber wie einer mir begegnet, so begegne ich ihm. Wer kann mir meine späteren Streitigkeiten mit diesem verruchten Jungen vorwerfen oder mir die schlimmen Dinge zur Last legen, die sich

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