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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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weshalb die Leute so verrückt danach sind. Der Gedanke, man könne aus der eigenen Familie verbannt werden, hat etwas ungeheuer Erschreckendes an sich.« Sie zuckte die Achseln und streichelte das Kreuz auf ihrer Brust.
    »Sie haben eine längere Haftstrafe erhalten als die anderen. Weil Sie Beweismittel zerstört haben. Was ist da passiert?«
    Die Lippen der Frau wurden schmaler. »Das war dumm. Ich bin in Panik geraten. Ich konnte nur noch daran denken, dass Daniel angerufen und gesagt hatte, Jimmy sei tot und in dem Haus sei etwas schiefgelaufen. Wir sollten unsere Sachen packen und uns auf die Abreise vorbereiten, denn schon bald könne die Polizei hinter ihm her sein. Daniel hatte im Schlafzimmer all diese Bücher und Zeitungsartikel und so über Charles Manson. Ich habe einige davon verbrannt, bevor die Polizei kam. Ich dachte, es würde nicht gut aussehen, falls man wüsste, dass er sich so für Manson interessiert hat.«
    Das hatte es tatsächlich nicht, dachte Dance, der einfiel, dass der Staatsanwalt unter anderem mit dem Verweis auf Charles Manson den Prozess gewonnen hatte.
    Kathryn stellte Linda noch weitere Fragen, und die Frau erzählte ihr mehr über ihr gegenwärtiges Leben. Sie war im Gefängnis sehr religiös geworden. Nach ihrer Haftentlassung zog sie nach Portland und bekam eine Anstellung bei einer protestantischen Gemeinde, der sie beigetreten war, weil ihr Bruder dort als Diakon arbeitete.
    Sie ging in Portland gelegentlich mit einem Mann aus, aber die Kirche war ihr Leben. Außerdem übernahm sie für die Pflegekinder ihres Bruders und ihrer Schwägerin praktisch die Rolle des Kindermädchens. Am liebsten wäre sie selbst Pflegemutter geworden – aufgrund eines medizinischen Problems konnte sie keine eigenen Kinder bekommen -, aber das war angesichts ihrer Vorstrafen sehr schwierig.
    »Ich habe kaum materiellen Besitz, aber ich mag mein Leben«, fügte sie abschließend hinzu. »Es ist ein reiches Leben, im guten Sinn des Begriffs.«
    Es klopfte an der Tür. Dances Hand legte sich auf die schwere Pistole.
    »Hier ist TJ, Boss. Ich hab das geheime Kennwort vergessen.«
    Dance öffnete die Tür, und der junge Kollege trat mit einer zweiten Frau ein. Sie war Mitte dreißig, schlank und hochgewachsen und hatte sich einen Lederrucksack lässig über die Schulter geworfen.
    Kathryn Dance begrüßte die zweite Angehörige von Pells Familie.

... Achtundzwanzig

    Rebecca Sheffield war einige Jahre älter als Linda Whitfield. Sie sah athletisch und sehr attraktiv aus, wenngleich Dance bei sich dachte, dass das kurze, vorzeitig ergraute Haar, der auffällige Schmuck und der Verzicht auf jegliches Make-up sie streng wirken ließen. Sie trug Jeans und ein weißes seidenes T-Shirt unter einer braunen Wildlederjacke.
    Rebecca schüttelte Dance fest die Hand, richtete ihre Aufmerksamkeit aber sofort auf Linda, die aufstand und sie mit ruhigem Lächeln ansah.
    »Wen haben wir denn da?« Rebecca trat vor und schloss Linda in die Arme.
    »Nach all den Jahren«, sagte Linda mit erstickter Stimme. »O Mann, ich glaube, mir kommen die Tränen.« Und sie fing tatsächlich an zu weinen.
    Sie lösten sich aus der Umarmung, aber Rebecca hielt die andere Frau weiterhin an beiden Händen. »Es ist schön, dich zu sehen, Linda.«
    »Ach, Rebecca... ich habe oft für dich gebetet.«
    »Stehst du inzwischen auf so etwas? Damals konntest du ein Kreuz nicht von einem Davidstern unterscheiden. Aber danke für die Gebete. Ich bin mir nicht sicher, ob sie gewirkt haben.«
    »Nein, nein, du machst so großartige Dinge. Ehrlich! Im Kirchenbüro gibt es einen Computer. Ich habe deine Internetseite gesehen. Frauen, die sich selbstständig machen. Das ist doch wunderbar. Ich bin sicher, es bewirkt viel Gutes.«
    Rebecca schien überrascht zu sein, dass Linda ihren Werdegang verfolgt hatte.
    Dance wies sie auf das freie Schlafzimmer hin. Rebecca brachte ihren Rucksack hinein und ging zur Toilette.
    »Wenn du mich brauchst, Boss, einfach laut rufen.« TJ ging, und Dance schloss hinter ihm die Tür ab.
    Linda nahm ihre Teetasse und spielte damit herum, trank aber nichts. Wie oft die Leute doch in Stresssituationen nach irgendeinem Requisit greifen, dachte Dance. Sie hatte Verdächtige verhört, die Kugelschreiber, Aschenbecher, Plastikfolien und sogar die eigenen Schuhe umklammert hatten, um den Stress zu mildern.
    Rebecca kam zurück, und Dance bot ihr einen Kaffee an.
    »Sehr gern.«
    Dance schenkte ihr eine Tasse ein und stellte

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