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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Milch und Zucker auf den Tisch. »Es gibt hier kein Restaurant, dafür aber Zimmerservice. Bitte bestellen Sie sich, was immer Sie möchten.«
    Rebecca trank einen Schluck. »Linda, ich muss sagen, du siehst gut aus.«
    Sie wurde rot. »Ach, ich weiß nicht. Ich gefalle mir nicht besonders. Aber du siehst bezaubernd aus. Und schlank! Dein Haar ist klasse.«
    Rebecca lachte. »He, es gibt nichts Besseres als ein paar Jahre im Gefängnis, um dich grau werden zu lassen. Du trägst ja gar keinen Ring. Bist du nicht verheiratet?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht.«
    »Du machst Witze. Wolltest du nicht irgendeinen muskulösen italienischen Bildhauer heiraten? Ich war mir sicher, du wärst längst in festen Händen.«
    »Es ist nicht einfach, wenn die Männer hören, dass der Exfreund Daniel Pell heißt. Über deinen Vater stand was in der Business Week . Seine Bank will sich anscheinend vergrößern.«
    »Wirklich? Ich bekomme davon nichts mehr mit.«
    »Ihr redet immer noch nicht miteinander?«
    Linda schüttelte den Kopf. »Mein Bruder und er auch nicht. Wir sind zwei arme Kirchenmäuse. Aber es ist besser so, glaub mir. Malst du noch?«
    »Manchmal. Nicht professionell.«
    »Nein? Ehrlich?« Linda sah mit glänzenden Augen Dance an. »Oh, Rebecca, war so gut! Sie sollten mal ihre Arbeiten sehen. Ich meine, besser geht’s gar nicht.«
    »Ich zeichne bloß noch zum Vergnügen.«
    Die beiden Frauen plauderten einige Minuten. Dance war überrascht, dass sie seit dem Prozess keinen Kontakt mehr gehabt hatten, obwohl beide an der Westküste lebten.
    »Kommt Samantha auch zu unserem Kaffeeklatsch?«, wandte Rebecca sich an Dance. »Oder wie auch immer sie heute heißen mag.«
    »Nein, nur Sie beide.«
    »Sam war immer die Zaghafte.«
    »›Maus‹, weißt du noch?«, fragte Linda.
    »Richtig. So hat Pell sie genannt. ›Seine Maus.‹«
    Sie schenkten sich noch einmal Getränke nach, und Dance machte sich an die Arbeit, indem sie Rebecca die gleichen grundlegenden Fragen stellte wie zuvor Linda.
    »Ich war die Letzte, die auf Mr. Pell hereingefallen ist«, sagte die dünne Frau. »Das war nur... wann?« Ein Blick zu Linda, die ergänzte: »Im Januar. Bloß vier Monate vor dem Croyton-Ereignis.«
    Ereignis . Nicht Morde .
    »Wie haben Sie Pell kennengelernt?«, fragte Dance.
    »Ich hab mich damals an der Westküste herumgetrieben und mein Geld damit verdient, auf Straßenfesten und am Strand die Leute zu zeichnen, Sie wissen schon. Eines Tages hatte ich mal wieder meine Staffelei aufgestellt, da kam Pell vorbei. Er wollte ein Porträt von sich.«
    Linda lächelte schüchtern. »Wenn ich mich recht entsinne, hast du nicht lange gezeichnet. Ihr beide seid hinten im Lieferwagen verschwunden und ziemlich lange dringeblieben.«
    Rebecca lächelte ebenfalls, aber aus Verlegenheit. »Nun ja, Daniel hatte ein gewisses Etwas, klar... Jedenfalls haben wir auch geredet. Und er hat mich gefragt, ob ich nicht bei ihnen in Seaside wohnen wollte. Zuerst war ich mir nicht sicher – ich meine, wir alle kannten Pells Ruf und die Ladendiebstähle und all das Zeug. Aber dann sagte ich mir einfach, zum Teufel, ich gehöre zur Boheme, bin Rebellin und Künstlerin. Scheiß doch auf meine blütenreine Spießermoral... ich ziehe das jetzt durch. Und das habe ich. Es lief gut. Es waren gute Leute dabei, wie Linda und Sam. Ich musste nicht jeden Tag zur Arbeit und konnte malen, so viel ich wollte. Was gibt es Schöneres im Leben? Wie sich natürlich herausstellte, hatte ich mich außerdem mit Bonnie und Clyde eingelassen, einer Diebesbande. Das war nicht so gut.«
    Dance registrierte, dass Lindas sanfte Miene sich bei diesem Kommentar verfinsterte.
    Rebecca erklärte, nach der Entlassung aus dem Gefängnis habe sie sich in der Frauenbewegung engagiert.
    »Ich war der Ansicht, meine Unterwürfigkeit gegenüber Pell, der für uns alle der Hahn im Korb war, habe mich in feministischer Hinsicht um einige Jahre zurückgeworfen, und ich wollte die Zeit aufholen.«
    Nach einer langen Therapie hatte sie dann schließlich eine Beratungsfirma gegründet, die Frauen beim Start in die Selbstständigkeit half, und war bis heute dabeigeblieben. Sie muss gut verdienen, dachte Dance mit Blick auf den Schmuck, die Kleidung und die italienischen Schuhe, die nach ihrer Schätzung (und von teuren Schuhen hatte sie nun wirklich Ahnung) so viel kosteten wie Kathryns zwei beste Paare zusammen.
    Es klopfte erneut an der Tür. Winston Kellogg traf ein. Dance war froh, ihn zu

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