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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Vielleicht sogar mit einem Besen. Ich würde dieses ganze Gebiet umgraben lassen.«
    »Ich glaube, wir sollten uns trotzdem erkundigen, ob irgendwo ein Boot gestohlen wurde«, sagte O’Neil. »Und ich möchte, dass die Spurensicherung sich zuerst den Pier vornimmt.«
    Der FBI-Agent gab den Ball sofort zurück. »Bei diesem Wind und Regen... also, ich meine wirklich, die Straße hat Vorrang.«
    »Wissen Sie, Win, ich schätze, wir fangen dennoch mit dem Pier an.«
    Kellogg tippte sich mit zwei Fingern an eine imaginäre Hutkrempe, um anzuzeigen: Es ist Ihr Team; ich gebe mich geschlagen. »Meinetwegen. Ich schaue selbst an der Straße nach, falls Sie nichts dagegen haben.«
    »Gern. Nur zu.«
    Ohne einen Blick zu Dance – er hatte nicht vor, ihre Loyalität auf die Probe zu stellen – widmete er sich wieder dem Bereich mit den zweifelhaften Markierungen.
    Dance drehte sich um und kehrte entlang eines freigegebenen Streifens zu ihrem Wagen zurück. Sie war froh, den Tatort verlassen zu können. Forensische Untersuchungen fielen nicht in ihr Fachgebiet.
    Ebenso wenig wie sture Dickschädel, die mit gesenkten Köpfen aufeinander losgingen.
     
    Das Antlitz des Kummers.
    Kathryn Dance kannte es gut. Aus ihrer Zeit als Journalistin, wenn sie mit Verbrechens-und Unfallopfern gesprochen hatte. Und aus ihrer Zeit als Beraterin bei der Geschworenenauswahl, wenn sie die Gesichter der Zeugen und Opfer beobachtet hatte, während diese von dem ihnen zugefügten Unrecht und Leid berichteten.
    Auch aus eigener Erfahrung. Als Polizistin.
    Und als Witwe: beim Blick in den Spiegel, Auge in Auge mit einer ganz anderen Kathryn Dance, die Hand mit dem Lippenstift erstarrt, bevor sie sich wieder von dem maskenhaften Gesicht entfernte.
    Warum sich den Kopf zerbrechen?
    Nun sah sie dieses Antlitz erneut. Sie saß in Susan Pembertons Büro der Chefin der Toten gegenüber, Eve Brock.
    »Das ist so unwirklich.«
    Ja, das ist es immer.
    Sie weinte zwar nicht mehr, aber das war nur vorläufig, spürte Dance. Die stämmige Frau mittleren Alters riss sich mächtig zusammen. Sie saß vorgebeugt da, die Beine unter dem Stuhl, die Schultern steif, das Kinn gehoben. Die kinesischen Anzeichen für Kummer, passend zum Gesichtsausdruck.
    »Das mit dem Computer und den Akten will mir nicht in den Kopf. Was war der Grund?«
    »Ich nehme an, es gab etwas, das er geheim halten wollte. Vielleicht hat er vor Jahren mal an einer Veranstaltung teilgenommen und wollte nicht, dass jemand davon erfährt.« Dances erste Frage an die Frau hatte gelautet: Hatte diese Firma schon existiert, bevor Pell ins Gefängnis gekommen war? Ja, hatte sie.
    Ihr stiegen wieder Tränen in die Augen. »Eines möchte ich gern wissen. Hat er...?«
    Dance erkannte den Tonfall und beantwortete die unausgesprochene Frage. »Ein sexueller Übergriff hat nicht stattgefunden.« Sie fragte die Frau nach dem Kunden, mit dem Susan sich hatte treffen wollen, aber Eve Brock wusste keine Einzelheiten.
    »Würden Sie mich bitte für einen Moment entschuldigen?« Die Frau wurde fast von ihrem Kummer übermannt.
    »Natürlich.«
    Eve nahm einen Schlüssel von ihrem Schreibtisch und ging zur Damentoilette.
    Dance musterte die Wände von Susan Pembertons Büro, an denen Fotos früherer Festlichkeiten hingen: Hochzeiten; Bar-und Bat-Mizwas; Jubiläumsfeiern; Betriebsausflüge einheimischer Firmen, Banken und Vereine; Wohltätigkeitsveranstaltungen sowie Highschool-und Collegetreffen. Die Agentur arbeitete auch mit Bestattungsunternehmen zusammen und organisierte die Empfänge nach einem Begräbnis.
    Überrascht sah Kathryn den Namen des Beerdigungsinstituts, das die Beisetzung ihres Mannes durchgeführt hatte.
    Eve Brock kam zurück, das Gesicht rot, die Augen geschwollen. »Es tut mir leid.«
    »Kein Problem, wirklich. Sie hat sich also nach der Arbeit mit dem Kunden getroffen?«
    »Ja.«
    »Auf einen Drink oder Kaffee?«
    »Vermutlich.«
    »In der Nähe?«
    »Meistens an der Alvarado Street.« Die Hauptstraße in der Innenstadt von Monterey. »Vielleicht auch im Del Monte Center oder am Fisherman’s Wharf.«
    »Hat Susan irgendeinen Laden bevorzugt?«
    »Nein. Wir richten uns ganz nach unseren Kunden.«
    »Einen Moment, bitte.« Dance nahm ihr Telefon und rief Rey Carraneo an.
    »Hallo, Agent Dance«, meldete er sich.
    »Wo sind Sie?«
    »In der Nähe von Marina. Ich suche für Detective O’Neil immer noch nach gestohlenen Booten. Bislang ohne Erfolg. Bei den Motels gibt es auch nichts

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