Die Menschenleserin
das auf.« Er wiederholte Billys Adresse. »Er hat Frau und zwei Kinder. Die Frau ist wirklich niedlich. Das Haar wird dir gefallen.«
»Mit wem sprechen Sie da?«, flüsterte Billy. »Bitte, Mister … Bitte. Nehmen Sie den Wagen, nehmen Sie alles Mögliche. Ich lasse Ihnen so viel Zeit zur Flucht, wie Sie wollen. Eine Stunde. Zwei Stunden. Aber tun Sie...«
»Pssst.« Der Mann setzte das Telefonat fort. »Falls ich nicht auftauche, bedeutet das, ich habe es nicht durch die Straßensperren geschafft, weil William hier nicht überzeugend genug war. Dann gehst du seine Familie besuchen. Sie gehört ganz dir.«
»Nein!« Billy drehte sich um und griff nach dem Telefon.
Die Mündung der Waffe berührte sein Gesicht. »Fahr weiter, Junge. Das ist kein guter Moment, um von der Straße abzukommen.« Der Entführer klappte das Telefon zu und steckte es ein.
»William... Nennt man Sie Bill?«
»Meistens Billy, Sir.«
»Also, Billy, Folgendes: Ich bin da hinten aus dem Knast geflohen.«
»Ja, Sir. Find ich gut.«
Der Mann lachte. »Vielen Dank. Du hast gehört, was ich am Telefon gesagt habe. Du weißt, was ich von dir erwarte. Wenn du mich durch die Straßensperren bringst, lasse ich dich gehen und deiner Familie wird kein Haar gekrümmt.«
Billys Gesicht glühte, und sein Magen krampfte sich vor Angst zusammen. Er wischte sich über die runden Wangen.
»Du bist keine Bedrohung für mich. Jeder weiß, wie ich heiße und aussehe. Ich bin Daniel Pell, und mein Bild wird am Mittag sowieso in allen Nachrichtensendungen sein. Ich habe also gar keinen Grund, dir etwas anzutun, solange du machst, was ich sage. So, und jetzt reiß dich zusammen. Du musst dich beruhigen. Falls die Polizei dich anhält, möchte ich einen fröhlichen und neugierigen Kurierfahrer erleben, der die Stirn runzelt und fragt, was denn da in der Stadt passiert ist. All der Rauch und das Durcheinander. Ach, herrje. Verstehst du, was ich meine?«
»Bitte, ich tue alles, was...«
»Billy, ich weiß, dass du zugehört hast. Du sollst nicht alles tun, sondern das, worum ich dich gebeten habe. Mehr nicht. Ist doch nicht schwierig, oder?«
... Sechs
Kathryn Dance und Carraneo standen in dem Versandladen am San Benito Way und hatten soeben erfahren, dass ein Paketdienst namens Worldwide Express kurz nach der Flucht seine allmorgendliche Lieferung gebracht hatte.
Von A nach B nach X...
Dance befürchtete, dass Pell einen der Transporter entführen könnte, um durch die Straßensperren zu gelangen, und rief die örtliche Zentrale von Worldwide Express an, wo man ihr bestätigte, dass der Fahrer auf dieser Route alle weiteren planmäßigen Zustellungen versäumt hatte. Dance ließ sich das Kennzeichen des Wagens geben und meldete es dem MCSO.
Dann kehrten sie in Sandy Sandovals Büro zurück, um die Suche zu koordinieren. Leider hatte Worldwide Express im fraglichen Gebiet fünfundzwanzig Transporter im Einsatz. Dance wies die Firma an, allen Fahrern zu befehlen, sofort die jeweils nächstgelegene Tankstelle anzusteuern und dort zu halten. Das Fahrzeug, das dann noch unterwegs war, musste Daniel Pell an Bord haben.
Bis dahin würde es allerdings noch etwas dauern. Die Zentrale musste jeden einzelnen Fahrer auf dessen Mobiltelefon anrufen, weil eine Funkdurchsage Pell gewarnt hätte, dass man seinen Fluchtplan kannte.
Jemand kam langsam zur Tür herein. Dance drehte sich um und sah Michael O’Neil, den erfahrenen Chief Deputy des MCSO, den sie vor einer Weile verständigt hatte. Sie nickte ihm lächelnd zu und war überaus erleichtert, dass er gekommen war. Es gab auf der ganzen Welt keinen besseren Kollegen, mit dem sie diese große Last hätte teilen wollen.
O’Neil gehörte dem MCSO schon seit vielen Jahren an. Er hatte als einfacher Deputy angefangen und sich nach oben gearbeitet. Dabei war er ein erstklassiger, methodischer Ermittler geworden, der auf eine beachtliche Zahl von Verhaftungen – und, viel wichtiger, Verurteilungen – verweisen konnte. Inzwischen war er Chief Deputy und als Detective für die Fahndungsgruppe der Ermittlungsabteilung des MCSO tätig.
Er hatte es stets abgelehnt, in die lukrative Privatwirtschaft oder zu größeren Behörden wie dem CBI oder FBI zu wechseln. Ein Job, der einen Umzug oder viele Reisen erfordert hätte, kam für ihn nicht in Betracht. O’Neil war auf der Monterey Halbinsel zu Hause und wollte nie von dort weg. Auch seine Eltern lebten noch da – in dem Haus am Meer, in dem er und seine
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