Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
Takaaki am eigenen Leib erfahren, in welch veraltetem Zustand sich dieses Land befand, nach der Devise: »Neuankömmlingen ist der Zutritt nicht gestattet«. Auch im Jahr zuvor ließen die Besitzer der Baseballvereine jeden wissen, dass sie kein Interesse daran hätten, neue und ihnen unbekannte Firmen zuzulassen, und schlugen ihnen die Tür vor der Nase zu. Japan mochte keinen freien Wettbewerb.
Takaaki hatte tatsächlich nicht damit gerechnet, dass der Wind ihm so stark ins Gesicht blasen würde. Das alte Machtsystem saß fest und unverrückbar wie Seepocken auf einem riesigen Küstenfelsen.
Nun konnte auch Takaaki nicht mehr auf seinem Standpunkt beharren. Mit seinem Vorstand sprach er täglich, um Gegenmaßnahmen in die Wege zu leiten, wobei auch ein Worst-Case-Szenario durchgespielt wurde. Er hatte diese Firma aus dem Nichts hochgezogen, und auch der Gedanke, mit zweiunddreißig Jahren alles zu verlieren, machte ihm keine Angst.
»Herr Direktor, was machen Sie denn da?«, fragte Miyuki, als sie in sein Büro kam und auf seinen Notizblock auf dem Schreibtisch sah.
»Das ist mein Übungsheft für Anpanman-Hiragana «, antwortete Takaaki trocken. Miyuki war sprachlos.
»Hiragana sind ein Vermächtnis der Geschichte. Es gibt fünfzig von ihnen, die aber nicht alle Laute wiedergeben können.
Das englische R kann man zum Beispiel damit nicht schreiben. Und was soll das Hiragana(n). Man fühlt sich von diesemgeradezu auf den Arm genommen.«
Auf einem dünnen Manuskriptpapier mit Kästchenmuster trug er sorgfältig die einzelnen Hiragana ein.
»Herr Direktor, mit Ihnen ist alles in Ordnung, ja?«, fragte Miyuki vorsichtig.
»Mir geht’s gut. Ich gehe auch heute wieder in den Irabu-Kindergarten. Für eine Revanche.«
»Sie gehen in einen Kindergarten?«
»Ach ja, ich meine ins Irabu-Hospital. Sie wissen doch, der Quacksalber. Die betreiben da auch einen Kindergarten.«
Miyuki runzelte die Stirn. »Also, heute fällt eigentlich das Gericht sein Urteil und deswegen wartet draußen der Anwalt.«
»Ach ja, dann bitten Sie ihn rein.«
Nach einer kurzen Vorbereitung saß er dem jungen Anwalt gegenüber.
»Wie sieht’s denn nun mit unserer vorläufigen Unterlassungsklage in Bezug auf die Herausgabe neuer Aktien aus? Können wir gewinnen?«
Auf Takaakis Frage hin machte der Anwalt ein ernstes Gesicht und meinte: »Die Chancen stehn fünfzig-fünfzig.«
»In juristischer Hinsicht liegt von deren Seite eindeutig ein Gesetzesverstoß vor, aber die Richter sind im Allgemeinen konservativ. Darüber hinaus hat das Innenministerium eine Novellierung des Rundfunkgesetzes angekündigt, und auch das wird wohl nicht ohne Folgen bleiben.«
»Meine Güte. Jetzt sollen sogar schon Gesetze geändert werden. Aber wenn unsere Klage abgewiesen wird, dann ist Japan endgültig ein Paradies für die alte Unternehmerklasse geworden. An die Folgen auf internationaler Ebene scheint keiner zu denken.«
»Deswegen haben wir gerade diesen Punkt besonders betont.«
»Was passiert, wenn wir verlieren?«
»Dann sollten wir als Aktionär auf Schadensersatz klagen. Das kann ganz bis nach oben zum Obersten Gerichtshof gehen.«
Eine mögliche Niederlage? Takaaki blieb angesichts dieses Gedankens überraschend gelassen. Er war wohl zwanzig Jahre zu früh geboren.
Nach der Unterredung kam wieder Miyuki ins Zimmer. »Die Presse läuft Sturm. Sie wollen, dass Sie eine Pressekonferenz geben, um das Urteil zu kommentieren.«
»Was ist mit meinem Termin bei Irabu?«
»Den sage ich natürlich ab.«
»Auf keinen Fall. Den will ich wahrnehmen. Meine Therapie geht vor.«
Mit einem schiefen Blick auf die verwirrte Miyuki veranlasste er, den Wagen vorzufahren.
Als er beim Irabu-Hospital angekommen war und mit Irabu zum Kindergarten ging, warteten die Medien dort schon mit gezückten Kameras.
»Herr Anpo, was wollen Sie denn in einem Kindergarten?«
»Haben Sie etwa ein Kind?«
In schneller Folge prasselten die Fragen auf ihn ein.
»Ich will in Zukunft einen Kindergarten betreiben. Und dafür inspiziere ich den hier, hahaha«, log Takaaki, um die Journalisten zu verwirren. Irabu neben ihm grinste in jede sich darbietende Kamera und machte das Victoryzeichen.
»He, ist das nicht der Arzt von Nabemann …? Ja, genau, derselbe!«, hörte er einige Pressevertreter sagen.
Wie bitte? War Irabu etwa ein bekannter Arzt?
Als sie den Kindergarten betraten, rief Takaaki mit fröhlicher
Stimme: »Hallo! Hier ist wieder euer Anponmann. Spielen wir
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