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Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Titel: Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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rede wie du. Ich spreche mit deiner Stimme, mit deinen Gedanken.«
    »Ich bin nur irgendein Mädchen.«
    »Jetzt bist du mehr als das. Du hast eine Aufgabe übernommen.« »Gar nichts hab ich übernommen!«, sagte Merle. »Ich hab das alles nicht gewollt. Und erzähl mir jetzt nichts von Bestimmung und solchem Blödsinn. Das hier ist kein Märchen.«
    » Leider nicht. In einem Märchen lägen die Dinge einfacher. Du gehst nach Hause, entdeckst, dass die Soldaten dein Haus niedergebrannt und deine Freunde verschleppt haben, du wirst zornig, erkennst, dass du den Kampf gegen den Pharao aufnehmen musst, begegnest ihm schließlich und tötest ihn durch eine List. Das wäre das Märchen. Aber leider haben wir es mit der Wirklichkeit zu tun. Der Weg ist der gleiche und doch ein anderer.«
    »Ich könnte einfach die Karaffe nehmen und das, was darin ist, in den nächsten Kanal kippen.«
    »Nein! Das würde mich töten!«
    »Dann bist du also nicht die Fließende Königin! Sie ist in den Kanälen zu Hause.«
    »Die Fließende Königin ist nur, was du wünschst, das sie ist. Im Augenblick eine Flüssigkeit in einer Karaffe. Und eine Stimme in deinem Kopf.«
    »Das ist wirres Zeug. Ich verstehe dich nicht.«
    »Die Ägypter haben mich aus den Kanälen vertrieben, indem sie einen Bann auf das Wasser gelegt haben. Nur deshalb ist es den Verrätern gelungen, mich in diese Karaffe zu sperren. Der Zauber durchzieht noch immer das Wasser der Lagune, und es wird Monate dauern, ehe er verflogen ist. Bis dahin darf sich meine Essenz nicht mit dem Wasser verbinden.«
    »Wir dachten alle, du bist etwas… etwas anderes.«
    »Tut mir Leid, wenn ich dich enttäusche.«
    »Etwas Geistiges.« »Wie Gott?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Auch Gott ist immer nur in demjenigen, der an ihn glaubt. So wie ich jetzt in dir.«
    »Das ist nicht das Gleiche. Du lässt mir keine Wahl. Du redest mit mir. Ich muss an dich glauben, sonst…«
    »Sonst was?«
    »Sonst würde das bedeuten, dass ich verrückt bin. Dass ich nur mit mir selbst spreche.«
    »Wäre das denn so schlimm? Auf die Stimme in seinem Inneren zu hören?«
    Merle schüttelte ungeduldig den Kopf. »Das ist Wortklauberei. Du versuchst nur, mich durcheinander zu bringen. Vielleicht bist du wirklich nur dieser dumme Schemen, der in meinen Spiegel gefahren ist.«
    »Stell mich auf die Probe. Lass den Spiegel irgendwo liegen. Trenn dich von ihm. Dann wirst du merken, dass ich noch immer bei dir bin.«
    »Ich würde den Spiegel niemals freiwillig abgeben. Ich schätze, das weißt du genau.«
    »Es soll ja nicht für immer sein. Nur für einen Augenblick. Leg ihn hinten an das Ende der Schneise, komm hierher zurück, und horch, ob ich noch da bin.«
    Merle dachte kurz nach, dann war sie einverstanden. Sie trug den Spiegel in den äußersten Winkel des Schachtes, etwa fünfzehn Meter vom Eingang entfernt. Sie musste dabei über allerlei Abfälle steigen, die sich hier im Laufe der Jahre angesammelt hatten. Mit dem Fuß vertrieb sie Ratten, die nach ihren Fersen schnappten. Schließlich lief sie ohne den Spiegel zurück in den vorderen Teil der Schneise.
    »Nun?«, fragte sie leise.
    »Hier bin ich«, erwiderte die Stimme amüsiert.
    Merle seufzte. »Heißt das, du behauptest weiterhin, du bist die Fließende Königin?«
    »Ich habe das nie behauptet. Du hast es gesagt.«
    Merle eilte zurück zum Spiegel und nahm ihn an sich. Rasch ließ sie ihn in ihrem Kleid verschwinden und schloss den Knopf der Tasche. »Du hast gesagt, du benutzt meine Worte und meine Gedanken. Bedeutet das auch, dass du meinen Willen beeinflussen kannst?«
    »Selbst wenn ich es könnte, würde ich es nicht tun.«
    »Das muss ich dir wohl glauben, hm?«
    »Vertrau mir.«
    Es war schon das zweite Mal in dieser Nacht, dass jemand das von ihr verlangte. Es gefiel ihr ganz und gar nicht.
    »Es könnte trotzdem sein, dass ich mir das alles nur einbilde, oder?«
    »Was wäre dir denn lieber? Eine eingebildete Stimme, die zu dir spricht, oder eine wahrhaftige? «
    »Keine von beiden.«
    »Ich werde deine Dienste nicht länger als nötig in Anspruch nehmen.«
    Merle riss die Augen auf. »Meine Dienste?«
    »Ich brauche deine Hilfe. Der ägyptische Spion und die Verräter werden nichts unversucht lassen, um mich wieder in ihre Gewalt zu bringen. Sie werden dich jagen. Wir müssen Venedig verlassen.«
    »Die Stadt verlassen? Aber das ist unmöglich! Den Belagerungsring gibt es seit über dreißig Jahren, und es heißt, er ist noch

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