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Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Titel: Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ihnen beide Arme entgegen, damit sie ihm Handeisen anlegten. Doch die Männer taten nichts dergleichen, sondern hielten ihn weiter mit ihren Gewehren in Schach. Nur ein Junge. Nicht der Mühe wert.
    Serafin unterdrückte ein Lächeln. Er fürchtete sie nicht. Solange er sich im Freien befand, außerhalb der Kerker und fern der Seufzerbrücke, dem letzten Weg der Verdammten, hatte er keine Angst. Seine Selbstsicherheit war ein Schutzschild, den er aufrecht erhielt, um nicht an Merle zu denken - auch wenn es ihm nicht völlig gelingen wollte.
    Ihr durfte nichts zugestoßen sein! Sie lebte und war in Sicherheit! Diese Gedanken wurden zu einem Credo, das er tief im Inneren wiederholte.
    Konzentriere dich auf die Umgebung!, sagte er sich. Und stell dir Fragen - zum Beispiel, warum wir ausgerechnet hier gelandet sind, und nicht im Gefängnishof.
    Das war in der Tat verwunderlich. Der Löwe hatte ihn am Rande der Piazza San Marco abgeworfen, wo ihn die beiden Gardisten bereits erwartet hatten. Jetzt gesellten sich zwei weitere hinzu. Alle vier trugen das schwarze Leder der Garde, besetzt mit Nieten, auf denen sich das Licht einiger Feuerbecken brach, die ganz in der Nähe das Ufer markierten.
    Die Piazza San Marco - der Platz des heiligen Markus - erstreckte sich in einer L-Form im Zentrum Venedigs. Das eine Ende grenzte ans Wasser. Ganz in der Nähe mündete der Canal Grande, während auf der gegenüberliegenden Seite die Türme und Dächer der Insel Giudecca in den Nachthimmel ragten.
    Der Platz wurde von prunkvollen Gebäuden eingefasst. Das beeindruckendste war die Markuskirche, ein wuchtiges Ungetüm aus Kuppeln und Türmen. Den Goldschmuck und die Statuen hatten venezianische Seefahrer vor Jahrhunderten aus aller Herren Länder zusammengetragen. Haus Gottes nannten es die einen; Piratenkathedrale die anderen.
    Neben der Markuskirche erstreckte sich die Fassade des Dogenpalastes, in dem schon seit langem kein Fürst mehr regierte. Heute bestimmten hier die Ratsherren die Politik der Stadt, bei prunkvollen Mahlen und Gelagen.
    Serafin und seine Bewacher befanden sich auf der anderen Seite des Platzes, am Ende einer langen Arkade, nicht weit entfernt vom Wasser. Die nahe Säulenreihe schützte sie vor den Blicken der Händler, die ungeachtet der frühen Stunde und der Dunkelheit bereits begonnen hatten, ihre mageren Auslagen auf dem Platz zu bestücken. Ein Wunder, dass nach so vielen Jahren der Belagerung überhaupt noch Handel möglich war.
    Kurz erwog Serafin den Versuch, loszulaufen und sich in die Fluten zu stürzen. Doch die Gardisten waren schnelle Schützen. Er würde nicht einmal die halbe Strecke schaffen, ehe ihre Kugeln ihn trafen. Er musste auf eine bessere Gelegenheit warten.
    Inzwischen hatte er erkannt, warum der Löwe ihn hierher und nicht in den Gefängnishof gebracht hatte. Seine Bewacher unterstanden den drei Ratsherren, die im Geheimen für das Imperium arbeiteten und Venedig verraten hatten. Die übrigen Räte durften davon nichts erfahren. Ein Gefangener aber, der von einem fliegenden Löwen der Garde im Gefängnis abgesetzt wurde, hätte zweifellos für Aufsehen gesorgt. Gerade das mussten die Verräter vermeiden, und so ließen sie ihn das letzte Stück des Weges zu Fuß gehen. Auf diese Weise mochte er als gewöhnlicher Verbrecher durchgehen, den die Gardisten per Zufall aufgegriffen hatten, mehr noch, da manch einer in ihm einen ehemaligen Meisterdieb der Gilde erkennen würde.
    Und wenn er die Wahrheit laut hinausschrie? Wenn er jedem auf seinem Weg, jedem hier auf dem Platz erzählte, was er beobachtet hatte? Dann könnte er -
    Sein Kopf wurde brutal nach hinten gerissen. Hände schoben derben Stoff in seinen Mund, zogen ihm die Ränder über Kinn und Nase und verknoteten die seitlichen Enden am Hinterkopf. Der Knebel saß so fest, dass es schmerzte. Auch der Geschmack war alles andere als angenehm.
    So viel zu seinem - zugegebenermaßen, nicht allzu durchdachten - Plan.
    Die Männer stießen ihn mit ihren Gewehrläufen aus dem Schatten der Arkaden hinaus auf den Platz. Ein merkwürdiger Geruch hing in der Luft. Möglich, dass er aus den Kerkern des Palastes herüberwehte.
    Auch andere schienen den Gestank wahrzunehmen. Ein paar Händler blickten irritiert von der Arbeit an ihren Ständen auf, schnüffelten in die Luft und verzogen die Gesichter.
    Serafin wollte einen Blick auf seine Bewacher werfen. Doch als er den Kopf zur Seite drehte, hieb man ihm einen Gewehrkolben ins Kreuz. »Schau

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