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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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das wirklich?«, fragte Chundo mit geheucheltem Erstaunen. »Wenn ich fortgehe, muss ich der Königin etwas erklären. Ich muss ihr erklären, wer die Person wirklich ist, die mich vertreibt. Obwohl Remigius und Avitus, die ihre Gründe haben mögen, mich zum Schweigen verpflichtet haben. Ich müsste reden, und was die Königin weiß, wird der König unverzüglich erfahren. Wäre dir das recht?«
    »Du kannst mir nicht schaden, indem du Lügen verbreitest! Alles, was du wissen kannst, stammt von Syagrius, der mich zum Schluss nur noch hasste. Ich drängte auf seine Auslieferung – das würde in Chlodwigs Augen sogar verdienstvoll sein.«
    »Aber es war ein Verrat. Und zuvor hattest du einen Mord befohlen – an deinem Gemahl. Dem Mörder verschafftest du zuerst Sklavenketten – und dann die Freiheit. Damit er noch einen weiteren Mord beging und einen beseitigte, der dir und deinem Geliebten im Wege war: König Chlodwig!«
    »Eine unsinnige Behauptung!«, sagte die Griechin mit einer heftigen Geste, die Chundo ein zufriedenes Lächeln entlockte. »Auch das hast du von Syagrius. Aber Syagrius ist tot!«
    »Der Mörder, den du betrogen hast, lebt.«
    »Baddo?«, fragte sie heftig.
    Der Diakon lachte lautlos.
    »Aber das ist alles nicht wahr!«, rief sie und sah sich im selben Augenblick erschrocken um, weil der junge Bauernpriester noch immer im Raum war und die Altarkerzen reinigte. Er blickte herüber, und sie gab ihm mit beiden Händen Zeichen, er möge verschwinden.
    Als er draußen war, fragte sie, wieder die Stimme dämpfend, obwohl sie allein waren: »Sagtest du eben – Baddo lebt?«
    »So ist es. Ich verschwieg es dem König, weil Baddo selber mich darum bat. Er will nicht ins fränkische Heer zurückkehren. Aus dem Turm, in dem man die Franken einschloss, konnte er fliehen, durch eine unterirdische Anlage.«
    »Das erfindest du doch, um mir Angst zu machen!«
    »Sagtest du eben, es sei alles nicht wahr?«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Unterwegs nach Genf.«
    »Nach Genf?«, rief sie.
    »Um dich zu suchen. Er ist äußerlich ein wenig verändert. Damit er die Sklavenmarkierung loswurde – jetzt ist er ja nicht mehr Feldherr und unangreifbar –, hat er sich gleich das ganze Ohr abgeschnitten. Ein Schwerthieb, eine Kriegsverletzung! Es wirkt echt, auch ein Stück von der Wange ist mitgegangen. Ich traf ihn zuletzt auf der Flucht, in einer Herberge hinter Lyon. Dort trennten sich unsere Wege.«
    »Wie kam er darauf, mich in Genf zu suchen?«
    »Vermutlich hat ihm jemand in Vienne den Hinweis gegeben. Du hast dich ja dort eine Zeitlang aufgehalten. Wir verkehrten übrigens sehr freundschaftlich miteinander, Baddo und ich, schon vor der Belagerung. Oft sprachen wir auch von dir. Baddo wusste gar nicht, dass er dir nicht nur die Ketten, sondern auch seine Befreiung verdankte, damit er weiter morden konnte. Aber da ich es von Syagrius wusste, habe ich es ihm erzählt. Er vermutete damals, du könntest hierher zurückgekehrt sein.«
    »Du weißt also, wo er sich aufhält!«
    »Nicht genau. Aber ich könnte ihn finden. Ich habe ihm verschiedene Klöster genannt, die Reisende und Obdachlose beherbergen. Wenn du es darauf anlegst, werde ich mich auf die Suche machen. Aber wirklich nur, wenn du mich von hier vertreibst«, fügte Chundo lächelnd hinzu.
    »Du hättest verdient, dass ich …!«, fuhr sie auf.
    »Vorsicht! Für den Fall, dass du mich vor dem König anklagst und man mir etwas antun sollte, erfährt die Königin alles – von einem Dritten, den ich eingeweiht habe. Ich wusste ja von unserem besorgten Heiligen, wen ich hier treffen würde.«
    »Du bist ein Scheusal, Chundo!«
    »Und du eine Viper, ›Donata‹. Wir wissen doch längst, was wir voneinander zu halten haben. So werden wir hoffentlich gut miteinander auskommen. Wie du weißt, habe ich nur bescheidene Bedürfnisse. Aber bringe mich nicht bei den Knechten im Pferdestall unter. Übrigens vermisste ich vorhin beim Vespergebet die Litanei. Wollen wir sie nachholen? Ich werde bitten, und du brauchst nur mit dem ›Kyrie‹ zu antworten.«
    Der dürre, hakennasige Gottesmann wandte sich dem Altar zu, nahm Gebetshaltung ein, drehte die Augen zur Decke und begann in feierlichem Singsang: »O Herr im Himmel, erleuchte uns und behüte uns. Lenke unseren Willen, damit unsere Taten von deinem Ruhm künden … Nun? Was ist denn? Wo bleibt das ›Kyrie‹?«
    Der Diakon Chundo war nur noch allein in der Kirche.

Kapitel 9
    Die düstere Stimmung, die sich

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