Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
sein?«, fragte Chlodwig einen der Hundertschaftsführer, die dabeistanden.
»Da kommen nur zwei in Frage, König. Olo von der dritten Reiterabteilung oder dieser Rotschopf aus Cambrai, aus Ragnachars früherer Gefolgschaft. Mit dem gibt es ja dauernd Ärger.«
»Hol sie her, alle beide. Das fehlte noch … jeder macht, was er will. Schon jetzt! Und der Krieg hat noch gar nicht begonnen. Der Bauer soll sagen, wer es war. Und bezahlt ihm den Schaden.«
Damit war die Sache vorerst erledigt, und Chlodwig hätte sie wohl nicht weiter verfolgt und sogar vergessen, wenn die beiden der Übertretung seines Befehls Verdächtigen nicht vor ihm erschienen wären. In der alten Fischhalle war ja ein ständiges Kommen und Gehen, und es gab unzählige Angelegenheiten, die man ihm im Laufe des Tages vortrug und die er entscheiden musste.
Doch die Umstände fügten es, dass der Hundertschaftsführer, den er mit der Suche nach den beiden Männern beauftragt hatte, außergewöhnlich pflichtgetreu und dass der Augenblick, da der König an die Beleidigung des heiligen Martin erinnert wurde, ein höchst ungünstiger war.
Kapitel 17
Am Nachmittag um die neunte Stunde meldete Chloderich, der Übergang der Rheinfranken über die Loire sei abgeschlossen und sein Heer zum Abmarsch bereit. Chlodwig hatte nämlich seine Stammesverwandten, die ihm nicht zuverlässig zu sein schienen, der Vorhut zugeteilt. Mochten sie dem ersten Stoß der Westgoten ausgesetzt sein, ihre Verluste würde er nicht beklagen.
Da die feindlichen Stellungen bei Poitiers vermutet wurden, sollten die Rheinfranken noch am selben Tag in Richtung dieser Stadt abmarschieren. Fünf Meilen voraus sollten sie ein Lager errichten.
Als Chloderich sich nun abmelden wollte, erinnerte ihn der König an den Befehl, die Requisitionen betreffend. Der Fuchsgesichtige gab sich skeptisch und sagte, er werde zwar das Verbot wiederholen. Doch werde er seine Leute kaum daran hindern können, sich Gerstenmehl und Fleisch zu beschaffen. Schon auf dem Hermarsch vom Rhein habe Mangel geherrscht, und nun stehe der Kampf bevor.
Chlodwig erwog kurz, ob er dies gelten lassen sollte.
Sein Befehl war jedoch von Geistlichen und Mönchen eifrig im Volk bekannt gemacht worden, um die Stimmung zugunsten der Franken zu heben. Würde nun trotzdem requiriert, konnte das verbreitete Misstrauen gegen die »Befreier« in offene Feindschaft umschlagen. Schon auf dem gescheiterten Eroberungszug vor elf Jahren hatten Bauernhaufen aus der Gegend von Tours den Franken schwer zu schaffen gemacht. Marschierte man jetzt gegen Poitiers und hatte solche Haufen im Rücken, war schnell ein Unglück geschehen.
Der König fuhr also Chloderich an, er sei für seine Leute verantwortlich, und strikter Gehorsam werde erwartet. Für die Verpflegung seines Heeres werde gesorgt. Vor dem Abmarsch werde er sich noch aus den Versorgungsschiffen, die gerade, von Orléans kommend, eintrafen, ausreichend für die nächsten Tage eindecken können. Chloderich beeilte sich nun zu versichern, alles werde nach dem Willen des Königs geschehen.
Chlodwig traute ihm aber nicht und hielt es für besser, die Rheinfranken mit der eigenen Autorität zum Gehorsam zu verpflichten.
Er befahl, ihre Anführer zu versammeln, und bald fanden sich an die hundert von ihnen vor der Fischhalle ein. Um sich ein recht martialisches Ansehen zu geben, hängte der König das kurze Schwert, den Sax, an den Gürtel und legte auch das Wehrgehänge mit dem Langschwert an, einer goldverzierten Spatha. Es fiel nur noch Nieselregen, und so konnte die Versammlung im Freien stattfinden. Der König trat vor die im Halbkreis aufgestellten Rheinfranken und begann zu reden.
Er sagte, der Sieg sei den Franken so gut wie sicher. Man dürfe ihn aber nicht mutwillig in Gefahr bringen. Ein wichtiger Sieghelfer sei gewonnen worden, der heilige Martin von Tours. Dem habe er so kostbare Geschenke gemacht, dass ihm gar nichts anderes übriggeblieben sei, als sich auf die Seite der Franken zu schlagen. Aber man dürfe ihn wiederum auch nicht verärgern, indem man seinen besonders Getreuen, den Leuten in dieser Gegend, Schaden zufüge. Und deshalb sei es nur erlaubt, Wasser und Futtergras zu nehmen.
Sehr schnell merkte Chlodwig, dass seine Rede nicht ankam. Was ein Heiliger der christlichen Kirche war, ahnten die meisten dieser Männer nicht einmal. Und dass sie den Bauern im Feindesland keinen Schaden zufügen sollten, wollte nicht in ihre Köpfe.
Weshalb waren sie denn
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