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DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

Titel: DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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roten Wangen herab. Verlegen sah er sich um zu seinen Stammesbrüdern, von denen einige am liebsten kehrtmachen wollten.
    Sein Vetter Chararich, der waffenstarrende König der Tongerer, war unauffällig etwas zurückgetreten und hatte sich in der dritten Reihe postiert.
    Auch Bobolen und sein Sohn Bobo fühlten sich unbehaglich. Sie schoben sich in die Nähe von Chlodwig und gaben ihm Zeichen, er solle den Rückzug befehlen.
    Doch Chlodwig achtete nicht auf sie. Er streckte den Arm aus und zog Ragnachar an seinem Purpurmantel einen Schritt zurück. Bereitwillig folgte der Dicke, und Chlodwig stellte sich hoch ragend vor Syagrius auf.
    »Bist du derselben Meinung wie dieser alte Schuft dort?«
    »Was meinst du?«
    »Dass wir die Knie beugen sollen und als Sklaven für euch arbeiten?«
    Syagrius kam diese Frage ungelegen, und er wich aus. »Was redest du da? Nehmt nicht alles gleich wörtlich. Und ich verlange mehr Respekt, auch wenn euch nicht alles passt, was gesagt wird. Mein Gast war früher Konsul des Römischen Reiches. Ich kann nicht dulden, dass ihn ein junger Mann beleidigt, der seit wenigen Jahren erst volljährig und außerdem sehr übel beleumdet ist.«
    Chlodwig sah ernst auf ihn herab. »Mir kommt es so vor, als hättest du nicht alles verstanden.«
    »Was? Was nicht verstanden?«
    »Was mein Vetter dir sagen wollte.«
    »Darauf habe ich schon geantwortet!«
    »Du hast uns irgendetwas erzählt, was uns nicht gefallen hat.«
    »Das glaube ich gern.«
    »Es hat uns überhaupt nicht gefallen.«
    »Ich habe euch eure Lage erklärt.«
    »Mir scheint, du brauchst noch etwas Belehrung.«
    »Belehrung? Von dir?«
    »Über die Lage bei uns. Ich kann sie dir geben.«
    »Ich habe dir schon gesagt, dass ich von einem unerfahrenen Jüngling …«
    »Also hör zu. Und pass auf, dass du alles mitbekommst. Stell die Ohren auf, wie es die Pferde tun!«
    »Das ist unverschämt! Ich verbitte mir …«
    »Die Lage ist die«, sagte Chlodwig, wobei er den empörten Syagrius, der wieder in seinen Armstuhl sank, fest im Blick behielt. »Bei uns sind Tausende auf Landsuche. Natürlich hätten wir sie auch alle totschlagen können, als sie, arm, wie sie waren, über den Rhein nach Gallien kamen. Bei euch Römern, wo es nach Rang und Geld geht, wäre das eine normale Sache. Aber wir sagten uns: Es sind Blutsverwandte, also müssen wir etwas für sie tun, wir müssen sie irgendwie unterbringen. Ja, und da sind sie nun, ganze Hundertschaften mit ihren Familien … Männer, die mit Schwert und Lanze vertraut sind, die sich notfalls auch nehmen, was man ihnen verweigert. Und wir können sie kaum noch daran hindern. Sie sind verdammt zornig, weil es bei uns so eng ist und weil es gleich nebenan bei dir Land, Wiesen, Wald in Fülle gibt … und nur wenige Menschen dort sind und noch weniger Leute davon Nutzen haben … reiche Gutsbesitzer, die hier, in Paris, in Reims und woanders leben. Also verlangen sie, dass das geändert wird! Mein Vetter hat nicht alles berichtet. Er hat dir nicht gesagt, was beschlossen wurde. Also sage ich dir jetzt, was wir wollen. Es ist ganz einfach: Du musst weg von hier! Du musst dich zurückziehen bis über die Seine! In dem Gebiet zwischen Seine und Loire kannst du bleiben. Aber alles Land zwischen Somme und Seine muss ab sofort uns Franken gehören. Ist das jetzt klar?«
    Im ersten Augenblick blieb alles still.
    Die Forderung war so ungeheuerlich, dass es auf Seiten der Römer niemanden gab, dem nicht die Worte fehlten. Ein gerade zwanzigjähriger Barbarenhäuptling mit langen Haaren und einer Axt am Gürtel sprach dem Patricius Syagrius die Hälfte seines Reichsgebiets ab!
    Gleich darauf brach ein Sturm der Entrüstung los. Syagrius lachte ein polterndes, ungläubiges, gekünsteltes Lachen. Seine Würdenträger und Hofbeamten gaben das Echo dazu. Die vornehmen Gäste stießen Schmähungen aus.
    Auch unter den Franken kam Unruhe auf. Ragnachars und Chararichs Leute drängten sich unbehaglich zusammen. Hinter Chlodwig dagegen sammelten sich die Entschlossenen – Ansoald, Ursio und andere aus dem Kern der Gefolgschaft von Tournai.
    »Ist das jetzt klar?«, wiederholte Chlodwig.
    »Das ist Übermut!«, schrie Syagrius. »Das ist kalter Verrat! Haltet ihr so die Verträge ein?«
    »Die Verträge haben die Väter gemacht«, sagte Chlodwig. »Die gehen uns nichts an.«
    »Eure Ahnen haben sie gemacht. Es sind heilige, ewige Verträge!«
    »Übertreibe nicht. Damals haben die Alten mit euch Verträge

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