DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren
»Zeige dich ehrerbietig gegenüber den Bischöfen und richte dich immer nach ihrem Rat …«
Das war schon damals eine Anmaßung, obwohl der Adressat ja erst sechzehn Jahre alt war. Jetzt war dasselbe Ansinnen nur etwas diplomatischer vorgebracht worden. Damals hatte sich Chlodwig um eine Antwort gedrückt und war dann dem zudringlichen Ratgeber bei seinen Besuchen möglichst ausgewichen. Das hatte er jetzt nicht mehr nötig. Der Bischof musste lernen zu warten. Wenn die Zeit dazu kam und der König es für erforderlich halten sollte, würde er sich seiner schon zu bedienen wissen.
Remigius war zwar ein bisschen enttäuscht, doch keineswegs ärgerlich oder gar beleidigt. Es hätte schlimmer kommen können, und immerhin wurde ja ein Ergebnis erzielt. Vor Zeugen hatte sich Chlodwig festgelegt.
»Ich verstehe, König, dass du dich deinen Ahnen verpflichtet fühlst«, sagte er einlenkend. »Das gereicht dir zur Ehre. Ich habe auch nicht die Absicht, ihre Bedeutung und ihre Macht in Frage zu stellen. Für mich sind sie schon deshalb hoch achtbar, weil du, ihr Abkomme, für unseren Christenglauben so viel Verständnis zeigst. Gewiss wird irgendwann einmal Gelegenheit sein, dich etwas gründlicher über ihn aufzuklären. Was du ›unsere Götter‹ nennst, ist die Heilige Dreifaltigkeit, und ich versichere dir, dass unser Herr Jesus Christus keineswegs ein Schwächling ist, wie es vielleicht den Anschein hat, sondern der Erlöser der Menschheit. Nein, nein!«, fuhr er rasch fort, als Chlodwig eine ungeduldige Geste machte. »Sei unbesorgt, ich werde jetzt deine Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Es genügt mir, aus deinem Munde und in Gegenwart dieser achtbaren Männer vernommen zu haben, was mir besonders am Herzen liegt. Du forderst uns auf, mit unserem Gottesdienst fortzufahren, und versicherst, du werdest uns keine Vorschriften machen. Dafür danke ich dir, König, im Namen aller Bischöfe, Priester, Diakone, Subdiakone und Lektoren, die nun mit froher Zuversicht weiterhin ihres Amtes walten werden. Und natürlich im Namen aller gläubigen Christen.«
»Gut«, sagte Chlodwig und bemühte sich um eine versöhnliche Miene. »Aber lasst mir meine Franken in Ruhe. Macht sie nicht wirr in den Köpfen!«
»Das käme uns niemals in den Sinn«, sagte der Bischof mit einem verbindlichen Lächeln. »Wir sind ja – im Gegenteil – für Klarheit in den Köpfen. Wir wandeln auf Gottes Wegen und nötigen niemanden, sich uns anzuschließen. Wer es freiwillig tut, ist natürlich willkommen.«
»Na, macht, was ihr wollt. Aber seht euch vor. Noch etwas?«
»Wenn ich noch eine Bitte äußern dürfte.«
»Und ich dachte schon, du bist endlich fertig«, sagte Chlodwig seufzend, und Bobo und Ursio ließen ein verletzendes Lachen hören. »Nun?«
»Nachdem ich deinen freundlichen Sinn erkannt habe«, sagte Remigius unbeirrt, »wage ich es, um eine Gunst zu bitten. Um unseren Gottesdienst vorschriftsmäßig auszuführen, benötigen wir verschiedene Kirchengeräte: Leuchter, Rauchgefäße, Monstranzen, Kelche. Diese Geräte sind meist von edlem Metall, denn um unserm Herrn zu dienen, ist uns das Beste gut genug. Nun haben deine siegreichen Scharen in diesen Tagen auch unsere Kirchen besucht, was wir natürlich begrüßen. Doch gefielen ihnen die heiligen Gegenstände so gut, dass sie viele – in manchen Kirchen sogar die meisten – mitnahmen. Könntest du diesen Irrtum nicht rückgängig machen?«
Wieder wartete Remigius lächelnd.
Chlodwig tauschte einen Blick mit Bobo, der seufzte und ihm hinter dem Rücken des Bischofs Zeichen gab. Sie sagten ihm, dass ein Teil der erwähnten Gegenstände bereits im Keller des Palastes, in den königlichen Schatzkammern verschwunden war. Jedenfalls soweit sie zum Fünftel des Königs gehört hatten.
»Irrtum?«, erwiderte Chlodwig dem Bischof. »Du sprichst tatsächlich von einem Irrtum? Hast du mir nicht gerade gedankt, weil ich euch von den Römern befreit habe? Hast du nicht um unseren Schutz gebeten? Glaubst du, ihr bekommt das alles umsonst? Weißt du nicht, was so ein Krieg kostet? Jeder leistet dazu seinen Betrag, und ausgerechnet ihr, die Christianer, wollt euch drücken? Wo doch allgemein bekannt ist, dass ihr zu den Reichsten im Land gehört?«
»Es handelt sich ja um Güter, über die wir nicht frei verfügen können«, sagte Remigius, »weil sie eine höhere Bestimmung haben.«
Er merkte gleich, dass dieses Argument nicht überzeugte, doch da ihm kein besseres einfiel,
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