Die Merowinger - Zorn der Götter
für den Sommer, Fußbodenheizung für den Winter, verglaste Fenster, zumindest in den ständig bewohnten Räumen. Am wichtigsten und dringlichsten war ihr aber die Kirche in der ehemaligen Villa der Sabauder. Sofort nach der Ankunft des Architekten wurde mit den Arbeiten begonnen, die nun niemand mehr behinderte. Die Wandbilder mit den frivolen mythologischen Inhalten wurden völlig entfernt und durch Teppiche mit biblischen Motiven ersetzt. Im ehemaligen Atrium entstand ein Altarraum mit Schranken und Taufbecken. Die übrigen Räume der Villa wurden Wohnungen für das geistliche Gefolge Chlotildes und für ihre Gäste.
Ein Dauergast war jetzt Remigius. Der Reimser Metropolit hielt sich kaum noch in seiner Residenz auf, sondern nutzte die hohe Gunst der Königin, um der Macht im Frankenstaat auch räumlich näher zu rücken. Fast ständig bewegte er sich in der Umgebung Chlotildes, er war ihr Berater, nicht nur in geistlichen Angelegenheiten.
Obwohl sie ihn ja erst kurze Zeit kannte, hatte er schon ihr uneingeschränktes Vertrauen. Seit Chundos Missgeschick als Wundertäter hielt sie sich vorzugsweise an ihn, während sie den hageren Diakon eine Zeitlang ihre Ungnade spüren ließ. Chundo war allerdings froh, so billig davonzukommen, hatte er doch zunächst befürchtet, dass man ihn davonjagen würde. Jetzt übte er sich fleißig in Demut, suchte nicht aufzufallen, drängte sich zu den niedrigsten Arbeiten und lag ganze Nächte lang vor dem Altar, um für seine Hoffart zu büßen.
Für Remigius, dem seine Wunder geglückt waren, empfand er nun wieder zähneknirschende Hochachtung. Er buckelte um ihn herum und war ihm mit größtem Eifer dienstbar. Die anderen Geistlichen standen ihm darin kaum nach, und auch immer mehr weltliche Herren suchten bei dem glatzköpfigen, kleinen Bischof Wohlwollen, Fürsprache, Protektion. Da er das Ohr der Königin hatte, die wiederum den König das Gehen auf Zehenspitzen lehrte, sahen in Remigius jetzt schon viele den Mann hinter Chlodwig.
Sie täuschten sich darin allerdings. Remigius’ Dauerpräsenz in der Residenzstadt bedeutete längst noch kein erhöhtes Gewicht seines Rates beim König. Auch der Einfluss Chlotildes auf ihren Gemahl wurde gleich maßlos überschätzt und beschränkte sich doch zunächst nur auf Äußerlichkeiten. So wich der König in keiner Weise von seiner Haltung zum Christentum ab. Dass er Chlotilde zuliebe eine Kirche und ein paar Geistliche im Bereich des Palastes duldete, war das Äußerste, was man ihm abringen konnte. Nach wie vor untersagte er jeden Bekehrungsversuch bei den Franken. Keinem seiner Antrustionen war es gestattet, Chlotildes Kirche zu betreten. Selbst Bobo, der als Majordomus und Schatzmeister die kostspieligen Umbauten zu bezahlen hatte, musste dazu um Erlaubnis nachsuchen.
Um seine eigenen Götter nicht neidisch und missgünstig zu stimmen, ließ der König vom Architekten Philippus sogar in einem heiligen Hain vor der Stadt, den fränkische Priester hegten und weihten, eine Wodanshalle errichten. Er folgte damit abermals (wie schon vorher zu Ehren Donars) dem Brauch spätgermanischer Fürsten, ihren Göttern nach dem Vorbild der Griechen und Römer Tempel zu bauen und sie vor Standbildern zu verehren. Damit sollte der Kirche und dem Kreuz noch sichtbarer getrotzt werden.
Mit der christlichen Mission ging es also auch nach der Hochzeit nicht recht vorwärts. Der heilige Avitus von Vienne schickte Remigius einen besorgten Brief nach dem anderen, und jeder enthielt – selbstverständlich verschlüsselt – dieselbe Frage: Hat sie ihn endlich so weit?
Das musste Remigius in seinen Antwortschreiben – trotz aller Beschönigungen – verneinen. Avitus äußerte vorsichtig die Vermutung, dass sein geschätzter Bruder und Mitheiliger seine Königin bei ihrer heiklen Mission nicht wirksam genug unterstütze. Aber damit kam er schlecht an. Remigius konterte, die Instruktionen des Avitus für seinen Schützling, den Diakon Chundo, seien der guten Sache alles andere als förderlich gewesen, habe doch dieser mit seinen Machenschaften ausgerechnet am Hochzeitstag die Kirche Christi dem Gespött preisgegeben.
Der Ton in den Briefen der beiden würdigen Kirchenmänner wurde von Mal zu Mal schärfer. Doch das brachte die Mission nicht voran.
Remigius blieb allerdings zuversichtlich, denn es gab Hoffnungszeichen. Die Königin zog ihn oft beiseite und hielt ihn über den Fortgang ihrer Bemühungen auf dem Laufenden. Sie berichtete ihm von
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