Die Messermacher (German Edition)
langen blonden Haaren und der schmalen Figur einer Frau ähnlicher als einem Mann, war mehr als beunruhigt. Er wusste, dass Mike einen Auftrag von diesem Reno angenommen und dafür sogar 1000 Euro Anzahlung kassiert hatte, und deshalb war er sehr besorgt. Zwar hatte Mike nur den Auftrag erhalten, er solle als Doppelgänger von Reno zu dessen Geliebtem fahren und mit ihm Schluss machen, aber so ganz ungefährlich war das ja nicht. Schwule konnten sehr schnell aus der Haut fahren, wenn man sie sitzen ließ! Das wusste er aus eigener Erfahrung, er war damals, als er mit einem seiner Freunde Schluss gemacht hatte, nur knapp einer Messerattacke entgangen. Und Mike hatte versprochen, sofort nach Erledigung des Auftrages, also spätestens am Dienstag früh bei ihm anzurufen. Hatte er aber nicht und sein Handy war auch aus. Er, der verlässliche Sven, hatte seinen Auftrag in diesem Kuhnest Ottenbach sauber ausgeführt, dafür hatte er ja im Vorfeld von Mike die Hälfte der Anzahlung bekommen und nun wollte Mike ihm den Rest, also nochmal die Hälfte von den versprochenen 9000 Euro geben. Eigentlich hätte er mehr als die Hälfte verlangen sollen, denn sein Auftrag war auf jeden Fall mehrere Nummern größer gewesen! Er hatte diesen Auftrag, den eigentlich Mike bekommen hatte, nur aus alter Freundschaft übernommen, und er brauchte das Geld dringend, denn seine Vermieterin würde ihn demnächst rausschmeißen, wenn er die zwei noch fehlenden Monatsmieten nicht bezahlen würde.
Wo steckte der Mike nur?
Was konnte er tun, um ihn zu finden? Blöderweise hatte Mike ihm nicht gesagt, wo dieser Rüdiger wohnte und auch den Nachnamen kannte er nicht. Schöne Scheiße, das alles. Er brauchte seinen Mike um sich, wie die Luft zum Atmen und vor allem brauchte er das Geld!
Erst beim dritten Drink, den ihm ein älterer Herr spendierte, wusste Sven, was er tun würde. Lächelnd ließ er sich dann von dem netten Herrn noch weitere Drinks spendieren, und um seine Haushaltskasse aufzubessern ging er mit dem Herrn auf dessen Hotelzimmer. Die Hälfte der einen Monatsmiete war also gesichert.
Zur gleichen Zeit unterhielt sich eine Stammtischrunde in der Vereinsgaststätte „Im Buchs“ in Ottenbach über die Vorkommnisse des gestrigen Tages. Die Gerüchteküche war wie immer sehr schnell und so verkündete einer der Jedermänner des TSV:
„Jetzt hat`s die alte Angerer also doch net gschafft. War ja au kei Wunder, bei derer ihrer Qualmerei. Oft hat man sie ja net im Ort gsehn, aber wenn, dann immer mit nem Glimmstengel zwischen den knallroten Lippen.“
„Aber sauber hergrichtet war die Rothaarige immer. Auch mit 70 war die immer no attraktiv!“, meinte ein anderer, doch die Wirtin, die gerade die diversen Biere auf den Tisch stellte, warf ein:
„Aber unnahbar hat se immer gwirkt, wenn ma se mal zufällig troffen hat. Die hat sich im Ort doch kaum sehn lassen und in nem Verein is se au nie gwesen. Wo mir doch grad gnug davon hier ham.“
„Dafür is ihr Sohn Jakob aber in dr Vorstandschaft vom Turnverein un seit em Frühjahr is der au no im Gmoindsrat“, warf wieder ein anderer ein, was einem Sportkameraden den Satz entlockte:
„Wie unterschiedlich d`Leit doch in oiner Familie sin. Irgendwie passen dr Reno un sei Frau – Gott hab se selig – gar net zamma. Reno is so a netter, umgänglicher Typ, genauso wie sei Sohn Jakob. Über den Tobias weiß i gar net viel und dem sei Schwester Marianne kommt eher nach ihrer Mutter.“
„Und d` Nora kommt charakterlich ganz nach ihrm Opa, nur a bissle temperamentvoller is des Mädel. Die roten Hoar hot se aber eindeitig von dr Adele. Wo dr Reno nur steckt?“, fragte sich der Hallenwart, der sich dienstags auch immer zu den Sportlern gesellte. Er mochte Nora, denn seit das Mädchen die Tanzgruppe für Kinder im TSV übernommen hatte, sah er sie oft in der Halle. Da sie sehr zuverlässig, wenn auch manchmal ein bisschen chaotisch war, hatte er selten Probleme mit ihr.
„Wahrscheinlich hat dr Reno den doch sehr plötzlichen Tod seiner Frau net verkraftet. Es is ja erscht gestern Nacht passiert. Der kummt sicher bald nach Haus. Woher wisst`sn ihr des eigentlich scho, wo es doch gestern Morgen erscht passiert ist?“, fragte einer, dem man das ständige Weizentrinken in Form einer hübschen runden Kugel über der Taille ansah.
„Ich weiß es schon seit gestern Vormittag!“, brüstete sich sein Freund, der genauso viel trank, aber gertenschlank war.
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