Die Messermacher (German Edition)
erst zur Tür hereinkam, warf seine Aktentasche neben seinen Arbeitsplatz und ging gemächlichen Schrittes hinüber zu seiner Chefin. Diese war als Frühaufsteherin bereits immer schon vor sieben Uhr im Amt, während Joska es sich herausnahm, erst um acht Uhr anzutanzen.
„Auch schon munter?“, fragte sie nicht unfreundlich, denn sie wusste, dass Joska oft nachts noch irgendwelche Aufgaben erledigte. Somit ergänzten sie sich sehr gut.
„Gestern gegen Abend kam noch die Nachricht rein, dass dieser Reno Angerer angerufen hätte und es wurde versichert, dass er heute gegen Nachmittag wieder zu Hause sein müsste. Und der Hund ist wohl auch wieder aufgetaucht – also: Fall abgeschlossen. Was haben Sie eigentlich gestern Abend noch gemacht? Sie waren nicht mehr hier, um diesen wichtigen Anruf entgegenzunehmen und Ihr Handy war auch aus!“, klagte sie nun doch etwas vorwurfsvoll. Doch Joska konnte das gleich erklären:
„Ich war beim Radiologen – hab da den letzten Termin noch kurz nach 19 Uhr bekommen – wegen meiner Schilddrüse und da sind Handys nicht erlaubt. Ich hatte es im Auto gelassen und als ich zurückkam, war der Akku leer. Habs dann über Nacht aufgeladen und erst kurz vor der Arbeit wieder eingeschaltet. Sorry, Chefin – aber es ist ja nix passiert und der Fall ist erledigt. Ist doch prima! Was gibt’s sonst so zu tun heute?“, lenkte er von seinem Handyproblem ab und seine Chefin ging sogar sofort darauf ein. Da hatte er mal wieder Glück gehabt oder lag es vielleicht an seiner neuen Frisur und dem neuen Aftershave, das er sich gestern noch gekauft hatte?
„Wir kriegen heute hohen Besuch vom Finanzministerium. Die wollten uns ein bisschen auf die Finger gucken und schauen, ob man irgendwo noch was einsparen kann. Ich habe die anderen auch schon instruiert, auf jeden Fall sehr geschäftig zu tun, sich gegenseitig anzurufen und ein bisschen Stress zu verbreiten, falls der sich nicht wie meistens von selbst einstellen sollte. Aber wie es so ist, wenn man Stress braucht, kommt er vielleicht nicht und ich will auf keinen Fall, dass hier Stellen abgebaut werden. Also los … tun sie irgendwas Wichtiges, aber dalli!“, kommandierte sie streng, aber mit einem Lächeln in den Augen.
„Zu Befehl, Chefin! Hektik verbreiten kann ich gut, das wissen Sie ja“, antwortete Joska salutierend und die Hacken zusammenschlagend. Er schaffte es gerade noch im Laufschritt zu seinem Arbeitsplatz, als auch schon einer der Beamten zur Tür hereinkam. Joska hob kurzerhand den Hörer von der Telefonstation und schwallte einen vorgeblichen Informanten mit so hektischen Worten zu, dass der Beamte gleich wieder abdrehte. Frau Müller-Harnisch, die alles durch die offen stehende Tür mit angehört hatte, prustete verhalten los, als sich die Türe hinter dem Kontrolleur geschlossen hatte.
„Sie sind echt unbezahlbar, Joska – einfach genial. Machen Sie weiter so und die Typen sind wir bald wieder los!“
Joska freute sich zwar sehr über das unverhoffte Kompliment, bekam aber dennoch Schweißausbrüche, wenn er daran dachte, dass dieser Typ eventuell den ganzen Tag neben ihm verbringen könnte. So viel konnte er sich dann doch nicht aus den Fingern saugen. Doch das Schicksal meinte es gut mit ihm und es kamen noch jede Menge Leute aufs Revier um Anzeigen zu erstatten, nach Vermissten zu fragen, einige Betrunkene wurden von der Streife hereingebracht und so verging der Tag noch hektischer, als sie vorzutäuschen vorgehabt hatten. Mit der Aussicht, hier voraussichtlich doch keine Stellen zu streichen, verabschiedete sich der Städtische und Joska konnte um 19 Uhr endlich nach Hause gehen. Doch irgendwas ließ ihn im Falle Angerer nicht zur Ruhe kommen und er rief um 20 Uhr von zu Hause aus bei den Angerers an, in der Hoffnung, Nora an den Apparat zu bekommen. Zu seinem Glück ging diese auch wirklich ans Telefon.
„Guten Abend, Frl. Angerer. Entschuldigen Sie bitte die späte Störung, aber ich wollte fragen, ob Ihr Großvater gut nach Hause gekommen ist“; fragte er freundlich und ließ es zunächst so harmlos klingen, als wolle er wirklich nur das wissen. Doch Nora ahnte schon, dass das nicht alles war und so antwortete sie spitz:
„Ja danke. Er kam nachmittags zurück und hat uns genau erzählt, was in der Nacht zum Montag passiert ist. Ich nehme an, dass Sie ihn auch noch persönlich vernehmen wollen, richtig?“
„Ja genau. Der Vollständigkeit halber muss ich das noch tun“,
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