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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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ganz still. Sie konnten das Knarren des
Lederrings am Ruder hören, das sich an der Dolle rieb. Sie konnten jedes leise
Quietschen der Bretter am Boden des Bootes hören. Das Boot schien seine eigene
Sprache, sein eigenes Lied zu haben. Pidge schaute beim Rudern verträumt über
den Rand des Bootes und betrachtete die langen Wasserpflanzen, die sich im
Wasser wiegten, und die dahinschießenden Elritzen; ihr Schatten folgte ihnen
auf dem hellen sandigen Boden, der in diesem flachen Teil des Sees den Grund
bildete. Es hieß, daß manche Partien keinen Grund hätten. Es gab Stellen, an
denen das Wasser immer dunkelgrün schimmernd und undurchdringlich aussah,
selbst an einem so sonnigen Tag wie diesem, das wußte Pidge.
    Als sie auf der Insel landeten,
fühlte sich Pidge überwältigt von dem plötzlichen lauten Gesumme der Insekten,
die emsig zwischen den hohen blühenden Gräsern und dem Dickicht aus Schlehen, wilden
Rosen und Geißblatt herumschwirrten. Er ließ sich in eine Grasmulde plumpsen.
Brigit sagte, sie wolle ein paar wilde Blumen pflücken gehen.
    Als Pidge allein war, nahm er
das schreckliche Blatt, das immer noch in die Worte des heiligen Patrick gewickelt
war, aus dem Versteck unter seinem Hemd hervor. Er öffnete seine kleine eiserne
Schatulle. Er wollte die beiden Seiten gerade noch einmal zusammenfalten, um
sie hineinzulegen und die Handschrift in der eisernen Hülle zu verschließen.
    Da sprang es ihm aus der Hand,
rutschte aus dem Patrick-Blatt, in das es gewickelt war, und tat so, als würde
es vom Wind fortgetragen.
    Aber es wehte gar kein Wind.
    Nicht der leiseste Hauch.
    Er machte einen Satz. Sekunden
später hatte er es wieder in die Umhüllung gefaltet Und schon lag es in der
eisernen Schatulle, und der Deckel schnappte zu.
    Jetzt habe ich dich, dachte er
glücklich. Jetzt bist du wirklich in Eisen gefangen!
    Brigit kam zurück, die Fäuste
voller Gänseblümchen und die Brosche als Schmuck mitten auf den Kopf gesteckt.
    «Es ist viel zu heiß», klagte
sie und ließ sich neben Pidge auf den Boden fallen. Sie begann, aus den
Gänseblümchen Ketten zu machen und suchte dazu diejenigen mit den dicksten
Stengeln aus. Pidge lag auf dem Rücken, dachte über Hexen nach und versuchte
sich an alles zu erinnern, was er je über sie gehört hatte. Das war nicht
einfach, denn er hatte darüber sehr wenig gehört, und zudem konnte er sich an
das, was er gehört hatte, nicht genau erinnern. Im Grunde fielen ihm nur
Besenstiele und schwarze Katzen dazu ein.
    Nach einer Weile hielt Brigit
ihre Blumenketten triumphierend in die Höhe und sagte:
    «Weißt du, was das ist?»
    «Was denn?»
    «Handschellen! Für den Fall,
daß diese Viehdiebe wiederkommen und es nochmal probieren!»
    Sie legte sie als Armbänder um
ihre Handgelenke. Sie sahen schon verwelkt und matt aus.
    Zwei Schwäne rauschten über den
See und näherten sich ihnen. Brigit holte Brot aus einer Papiertüte und brach
es in kleine Stücke, um es den Schwänen zuzuwerfen.
    Bei dieser Hitze war das Werfen
anstrengend. Das letzte Bröckchen, das sie warf, fiel schon ein ganzes Stück
vor dem Wasser zu Boden. Einer der Schwäne glitt ans Ufer und watschelte an
Land, auf das Brot zu.
    «Glaubst du, ein Schwan könnte
eine Fee sein?» fragte sie.
    «Es würde mich kein bißchen
überraschen!» sagte Pidge und setzte sich auf. Genauso war es ihm gerade
vorgekommen.
    Brigit warf noch ein
Brotstückchen. Sie zielte eigens so, daß der Schwan näher herankommen mußte. Er
stand eine Weile da und sah sie mit seinen runden schwarzen Augen an.
    Sie sang:
    «Schwan, komm her! Schwan, komm
her! Ich geh’ dir Brot und Butter!» Da drehte der Schwan sich um und watschelte
zum See zurück.
    «Oder willst du ein
hartgekochtes Ei?» rief Brigit ihm nach. «Würdest du dafür zurückkommen?»
    Der Schwan ließ sich aufs
Wasser nieder wie eine Katze auf ein Kissen. Der andere Schwan gesellte sich
ihm zu, und die beiden zogen in der Nähe des Ufers ihre Kreise. Dabei sahen sie
die Kinder unverwandt mit ihren aufmerksamen schwarzen Augen an.
    Es war, als seien sie schon
stundenlang auf der Insel. Wieder hatte Pidge das Gefühl, als verginge die Zeit
nicht in der richtigen Geschwindigkeit. Brigit war unruhig, und Pidge spürte,
daß Ungeduld in ihm aufstieg wie eine große Blase, die zu platzen drohte, wenn
er nicht bald irgend etwas tat.
    «Warum gehen wir nicht los und
erforschen die Insel?» fragte Brigit.
    «Wir kennen schon jeden Stock
und jeden Stein

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