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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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köstlich.
    Es war ein wunderbar stiller
Morgen, und es war schön, im Wald zu sein; kein Windhauch ließ die Bäume
rascheln und seufzen. Und dann erscholl mit einem Mal der gewaltige Chor der
Vogelstimmen, es war beinahe, als hätten die Sänger ein wenig länger als sonst
gewartet, um auch die Morgenröte zu betrachten, und als freuten sie sich
überschwenglich, daß sie so herrlich war und daß sie nun allen Grund hatten zu
jubilieren.
    Der Junge und das Mädchen
berührten die Bäume und atmeten ihren Duft ein; sie sahen das helle Grün der
Farne und das dunklere Grün der Kiefern, deren Stämme, wenn sie weiter weg
standen, von dunstigen blauen Schatten umhüllt waren, die sogleich
dahinschwanden, wenn man allzu nahe kam. Sie kosteten die Luft mit derselben
Beglückung, mit der sie das Wasser gekostet hatten, und lauschten dem Gesang
der Vögel.
    Der Wald tat allem Verlangen
Genüge — vor allem dem Sinn für das Geheimnisvolle.
    Sie durchquerten den Wald, wie
Pidge hoffte, in der richtigen Richtung, und erfreuten sich am Gesang der
Vögel, bis der letzte Ton verklungen war. Alle wilden Tiere nahmen sie in
Augenschein, neugierig, die Geschöpfe zu sehen, die auf zwei Beinen durch ihre
Welt gingen.
    Alle Vögel ließen sich auf
niedrigen Ästen nieder und beobachteten sie mit geneigten Köpfchen, als könnten
sie nur auf einem Auge sehen — so ähnlich wie manche alten Leute und viele
Piraten. Eichhörnchen hüpften um sie herum, hielten ab und zu inne, um sie
genauer zu betrachten, und legten die Haut rings um ihre Nasenlöcher in
Fältchen, wenn sie schnüffelten, um sie am Geruch zu erkennen. Hasen saßen in
Gruppen zusammen und taten desgleichen mit noch größerer Kunstfertigkeit, als
sei das ihre besondere Begabung. Andere kleine Tiere spähten von sicheren
Verstecken aus, verborgen hinter Findlingen, Farnbüscheln oder zu Boden
gefallenem dürren Holz, mit schüchterner Keckheit, als seien sie neugierige,
aber doch höfliche Leute; sie waren jedoch nur ängstlich und viel zu natürlich,
um höflich zu sein.
    In den blauen Schatten sah man
die Umrisse eines kleinen Rudels Rotwild, das sich dicht um einen Hirsch
drängte — alle Köpfe erhoben und wachsam, der des Hirsches gekrönt mit einem
stolzen Geweih.
    Wenn die Tiere überhaupt ein
Geräusch machten, dann so vorsichtig, als seien sie in einer Kirche, in der der
Morgenchor der Vögel eine Lobpreisung gewesen war; und nun mußte eine Zeit der
Stille folgen, denn der Tag war noch so jung. Später würden sie wieder
schwatzen und streiten und zwitschern, wenn die Sonne stark genug war, um es
ihnen zu erlauben.
    Pidge und Brigit waren ganz
umfangen von dieser Stille: die ganze Welt bestand aus dem, was sie mit ihren
weit offenen Augen sahen.
    Wie erschraken sie, als sie
plötzlich aus der Tiefe des Waldes das Geräusch einer Axt hörten, die hart
gegen einen Baum schlug, weil ein Holzfäller seine Arbeit tat:
    Bumm! Bumm! Bumm!
    All die kleinen Geschöpfe
nahmen Anstoß an diesem schrecklichen Geräusch, und sie verließen die Kinder
und machten, daß sie nach Hause und in Sicherheit kamen.
    Das Hacken aber ging
erbarmungslos weiter.

 
     
     
     
     
     
    inen
Kiefernwald zu durchwandern ist nicht beschwerlich, denn dort ist das Unterholz
immer licht Abgesehen von abgestorbenen Stämmen und Ästen, über die man steigen
oder um die man herumgehen kann, gibt es wenig, was als Hindernis zu betrachten
wäre. Natürlich wachsen hie und da Farne und Brombeersträucher, doch sie sind
nie allzu dicht und werden nicht zu solch störrischen Hindernissen, wie sie es
in einem alten Mischwald sein können, durch den sich noch keiner einen Pfad
gebahnt hat Die einen ziehen diese Art von Wald vor, die anderen jene; manche
mögen beides.
    Pidge und Brigit brauchten
nicht lang, um den Holzfäller zu Gesicht zu bekommen. Als sie nah genug waren,
riefen sie ihm einen Gruß zu; aber er, in einen dicken Mantel eingemummt, den
großen, unförmigen Hut tief ins Gesicht gezogen, antwortete nicht. Pidge war
sich sicher, daß er sie dennoch sah. Ein flüchtiger Blick, dann wandte er ihnen
rasch den Rücken zu; Pidge merkte deutlich, daß der Mann nichts sagen wollte.
Auch Brigit fiel es auf.
    «Warum fällen Sie eigentlich
diesen Baum?» rief sie, worauf er nur einen Augenblick innehielt, um dann
wieder mit seiner Axt auszuholen.
    Er wirkte krumm und bewegte
sich merkwürdig ungeschickt.
    «Ich wette, er ist ein
Baumdieb», flüsterte Brigit. «Er wollte gar nicht mit uns

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