Die Mission des Wanderchirurgen
niederträchtig zu Enano gewesen waren.
Seinen Lebensunterhalt hatte er in dieser Zeit durch kleine Diebereien bestritten, denn niemand war bereit, ihm eine Anstellung zu geben. Dann war er darauf gekommen, dass sich mit Arzneien jeder Art sehr viel leichter Geld verdienen ließ. Die Leute glaubten alles, was sie glauben wollten, und das war viel. Es hatte kaum einen gegeben, der nicht dumm genug gewesen wäre, ein Arkanum für nie endenden Reichtum zu kaufen. Freudig hatte jeder Einzelne das Zaubermittel getrunken und sich tatsächlich eingebildet, er würde anschließend mit dem Wasserlassen Gold ausscheiden.
Später hatte er sich alchemistische Kenntnisse angeeignet, hatte experimentiert mit Giften und Säuren, die nicht selten zu Waffen seiner Rache geworden waren. Auch Wärmkugeln hatte er gegen gutes Geld angeboten. Sie sollten bei jeder Art von Leibschmerzen helfen und waren doch nichts anderes als Gipsbälle, die er mit feuchter Hühnerhaut überzogen hatte. Schluckte ein Ahnungsloser eine solche Wärmkugel, dann wurde ihm der Magen zunächst tatsächlich warm, doch anschließend bleischwer. Übelkeit und Atemnot stellten sich ein, kalter Schweiß und Herzrasen traten auf, und wer die Kugel auf natürlichem Wege loswurde, der konnte noch von Glück sagen.
Enano jedoch war zu diesem Zeitpunkt stets über alle Berge, hatte das Dorf oder die Stadt längst verlassen und sich zur nächsten Ortschaft aufgemacht. So war er immer weiter nach Süden gekommen und schließlich, nach einer langen, beschwerlichen Tippelstrecke, im Spanischen angelangt. Kurz darauf hatte er Vitus kennen gelernt – und sofort spitz gekriegt, wie unbedarft der ehemalige Klosterschüler war. Dass Vitus überdies noch Geld im Saum seiner Kutte eingenäht hatte, war ihm dann zum Verhängnis geworden. Enano hatte ihn mit einem Gifttrank bewusstlos gemacht und anschließend bei der Inquisition denunziert …
»Wui, wui, ’s war nich recht von mir«, fistelte der Zwerg, »nich recht war’s, hab’s aber quitt gemacht, nich, Vitus?«
»Ja, das hast du. Hast dem Magister und mir schon mehrfach das Leben gerettet.«
»Was ich hiermit feierlich bestätige.« Der kleine Gelehrte drückte auf den Weinschlauch, um noch ein paar Tropfen herauszuquetschen, aber die Quelle war bereits versiegt. »Schade, schade,
in vino veritas
, heißt es so schön, und die Wahrheit ist, mein lieber Zwerg, dass du in jungen Jahren ein arger
Homo agrestis
warst. Aber inzwischen hast du dich ja vom Saulus zum Paulus gewandelt.«
»
Sì, sì
, du Gack!«
Da der Wein alle war, begnügte der Magister sich damit, den Rest der Pilze aus der Schüssel zu wischen. »Sagt, liebe Amalia, wo habt Ihr nur die delikaten Trüffeln aufgetrieben? Ihr müsst wissen, dass ich mich für mein Leben gern an diesen unterirdischen Knollen labe.«
Amalia kicherte und antwortete nuschelnd: »Ich grab sie aus, Herr Magister, ich grab sie aus. Man muss nur wissen, wo.«
»Das dachte ich mir.«
»Ich geh mit dem Schwein los. Das riecht die Trüffeln im Boden, dann grunzt es und fängt an zu scharren.«
»Aha, verstehe. Sozusagen Schnüffeln nach Trüffeln. Und wo geschieht das?«
»Hihi.« Amalia kicherte abermals. »Das möchtet Ihr wohl wissen, wie? Aber ich sag’s nicht. Nur dass ich unter Eichen, Weiden und Pappeln grab.«
»Na, das ist ja wenigstens etwas. Sagt, Amalia, hättet Ihr etwas dagegen, wenn meine Freunde und ich in Eurer Scheune schliefen? Die Nächte sind kühl geworden.«
Der Zwerg fiel ein: »Wui, wui, bei Mutter Grün ist’s alleweil recht schattig.«
Natürlich hatte die Alte nichts dagegen, zumal der Magister und der Zwerg sich nicht scheuten, mit ihr auch noch ein wenig Süßholz zu raspeln.
Kurz darauf erhoben sich die Freunde, bedankten sich für die köstliche Speise und entboten den Gute-Nacht-Gruß:
»Wir begeben uns nun in Morpheus’ Arme!«
»Schlaft wohl, Amalia.«
»Wui, Trübmusch, lull schön!«
Tags darauf zogen sie weiter, nicht ohne zuvor ein kräftiges Morgenmahl von der Alten bekommen zu haben. Vitus ließ es sich nicht nehmen, ihr für die Gastfreundschaft einen angemessenen Betrag dazulassen. Dann trat er vor die Hütte und sah zu seinem Erstaunen, dass Enano schon wieder auf seinen Stelzen stand. »Willst du dich wirklich aufs Neue mit den Dingern abquälen, Zwerg?«
»
Sì, sì
, quäl mich nich, hab’ mich dran gewöhnt, ’s walzt sich wie von selbst.« Kaum hatte der Winzling, der jetzt wieder ein Riese war, das gesagt,
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