Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Vasenhändler aus Chioggia, so schien auch er seinen Broterwerb mit dem Verkauf von Waren zu bestreiten. Ein großer, vierrädriger Wagen, vor den zwei Gäule gespannt waren, stand neben ihm, voll gepackt mit tausenderlei Gerätschaften für Haus und Hof: Töpfe, Pfannen und Krüge ebenso wie Seile, Ketten und Türschlösser, Werkzeuge aller Art ebenso wie lederne Blasebälge oder Fuchsfallen, Hacken, Harken, Spaten, Eggen, Heugabeln und eiserne Pflugscharen. Fässchen mit Fett, mit Wagenschmiere, mit Öl, aber auch mit Wein und Tresterschnaps. Sicher gab es noch viel, viel mehr auf dem Wagen, aber das meiste war durch Planen abgedeckt und somit dem neugierigen Auge verborgen.
    Und über alledem, sozusagen als Krönung, thronte ein hölzerner Käfig, in dem eine weiße Taube gurrte.
    Der Mann riss die Arme hoch und strahlte die Umstehenden an. »Dies ist ein guter Tag, Leute! Freut euch! Fabio, der Überlandfahrer, ist da!« Er riss die Horntute an die Lippen und blies hinein, dass sich seine Backen aufblähten. Ein markerschütternder Laut drang aus der Öffnung, ein Laut, den man wohl drei Dörfer weiter noch hören konnte.
    »Der fahrende Fabio ist da! Der Mann, der für euch übers Land fährt und euch die guten Waren bringt! Die Zeit der Sorgen hat ein Ende, denn es gibt nichts, was Fabio nicht hat!
Fabio bellissimo!«
Abermals benutzte er sein Blasinstrument, und diesmal hielten sich die Umstehenden die Ohren zu.
    »Haha, huhu! Sperrt eure Ohren nicht zu, sondern spitzt sie! Reißt die Augen auf, sperrt die Münder auf, öffnet eure Herzen für die schönsten Dinge dieser Welt, die Fabio euch bringt. Alles, alles, was ihr hier seht, ist verkäuflich, sogar meine Schwiegermutter, die sich unter der Plane versteckt hat …«
    Fabio machte eine Pause, um den Menschen die Gelegenheit zum Lachen zu geben. Mittlerweile war aus den wenigen Umstehenden eine größere Menge geworden, die sich mit langen Hälsen um ihn drängte, und er fuhr mit unverminderter Lautstärke fort: »Alles ist verkäuflich, verkäuflich, verkäuflich, nur meine kleine Bussola nicht!« Er deutete auf die Taube, die mittlerweile ein paar Körner vom Käfigboden aufpickte. Dann ging er auf die am nächsten Stehenden zu und bedachte sie mit kleinen Gaben. Ein Mädchen, kaum fünf Jahre alt, fragte er, woher es komme. »
Di dove sei?
«
    Als die Kleine schüchtern schwieg, lachte er und bot ihr einen Kamm und eine Haarbürste an. »
Un pettine? Una spazzola?«
Und als sie noch immer nicht antwortete, steckte er ihr eine bunte Schleife ins Haar, der Mutter gab er ein Stück wohlriechende Seife, einem alten Mann schenkte er drei geschmiedete Nägel, einem jungen Burschen eine geschnitzte Flöte.
    Dies alles tat er unter ständigem Reden und Schwatzen und Scherzen. Bei dem kleinen Mädchen sagte er, es sehe jetzt genauso hübsch aus wie seine Mutter, was diese sanft erröten ließ, und dem jungen Burschen versicherte er augenzwinkernd, dass nichts über eine gute Flöte gehe, da sie dem schönen Geschlecht Schreie der Entzückung entlocke, wenn man sie richtig benutze. Das allseitige Gekicher und Gepruste überhörend, kam er zu Enano und rief: »Ja, wen haben wir denn da? Einen Zwerg, der zum Riesen wurde? Oder einen Riesen mit Beinen aus Holz? Auf jeden Fall eine seltsame Gestalt!«
    »Wiewo, Tutenmann?«, kam es von oben. »Bist selbst ’ne seltsame Gestalt, trägst dein Rohr ja hinten!«
    Fabio stutzte, griff sich in den Rücken, wo die Muskete hing, und fiel in das schallende Gelächter der Leute ein. »Du verstehst es, mit gleicher Münze zurückzuzahlen, mein Freund,
molto bene!
Wie ist dein Name?«
    »Enano der Grimmling, Tutenmann!«
    »Grimmling?«
    »’s heißt Riese in der Sprache der Wolkenschieber, ja so heißt’s.«
    »Nun, du grimmliger Riese, ich denke, darauf müssen wir einen heben. Gib Acht!« Fabio machte mit dem Arm eine wischende Bewegung und hielt plötzlich zwei kleine Gläser zwischen den Fingern, dann eine zweite Bewegung, und zum maßlosen Erstaunen des Publikums floss dem Händler Wein aus der Hand. Der Traubensaft lief direkt in die beiden Gläser, und sobald sie voll waren, versiegte der Quell, als hätte jemand einen Hahn zugedreht. Eines der Gläser reichte er Enano.
»Salute, amico mio.«
    Die Menge klatschte begeistert.
    »Assusso, Abrakadabramann.«
    »Hoho, Abrakadabramann sagst du zu mir? Das ist gut!« Mit taschenspielerischer Geschicklichkeit ließ Fabio die leeren Gläser wieder verschwinden und begann nun

Weitere Kostenlose Bücher