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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ernsthaft mit dem Verkauf seiner Waren. Er erwies sich dabei als außerordentlich erfolgreich, denn er hatte die Menge in allerbeste Stimmung und in gehörige Kauflaune gebracht. Schon nach kurzer Zeit hatte jeder etwas erworben und zog, da der Händler keine Anstalten machte, sein Unterhaltungsprogramm fortzusetzen, hochzufrieden ab.
    Nur der Riese Enano mit seinen Freunden war noch da. »Hast tüchtig Heu eingesackt, wie?«, fragte das Fischmündchen.
    Der fahrende Fabio, der gerade die eingenommenen Münzen in einem Lederbeutel verstaute und diesen wiederum in seine Gürteltasche schob, entgegnete: »So ist es, du Riese mit dem hölzernen Gebein. Allerdings war’s früher mehr. Die Zeiten sind schlecht, man muss zufrieden sein. Darf man fragen, wer mit dir reist?«
    »Mein Name ist Vitus von Campodios«, stellte Vitus sich selbst vor. »Ich bin Cirurgicus. Und das ist der Magister der Jurisprudenz Ramiro García.«
    »Alle Wetter! Ein Beutelschneider und ein Paragraphenreiter! Äh, nichts für ungut, meine Herren. Aber Ihr seht nicht gerade so aus wie das, was man sich unter einem Arzt und einem Juristen vorstellt. Zumal bei Eurer Geldkatze Schmalhans Küchenmeister zu sein scheint. Jedenfalls habt Ihr nichts gekauft, das habe ich wohl bemerkt.«
    »Wir halten unsere Münzen zusammen, weil wir noch eine weite Reise vor uns haben«, antwortete Vitus. »Wir wollen nach Piacenza und von dort die Trebbia hinunter nach Genua.«
    »Nach Piacenza will ich auch. Es ist der Endpunkt meiner Fahrt, bevor ich auf anderer Strecke wieder nach Padua zurückkehre. Wenn Ihr Lust habt, reisen wir ein Weilchen zusammen. Der Riesenzwerg jedenfalls scheint mir ein lustiger Geselle zu sein, seine Anwesenheit könnte ich gut ertragen.«
    »Wui un gramersi, Abrakadabramann!« Enano verbeugte sich geschmeichelt.
    Der Magister blinzelte. »Keine Einwände von meiner Seite. Zumal Ihr offenkundig ein wehrhafter Zeitgenosse seid. Ein wenig Schutz auf unbekanntem Weg kann keineswegs schaden.«
    Auch Vitus war einverstanden, und so zog die neu gebildete Gruppe in das kleine Dorf ein, wo sie in einer Herberge Obdach fand. Der Wirt, ein gutmütiger, kochbegabter Mann, tischte für sie aus der Küche des Landes auf: Schinken und Käse aus Parma, dazu ein leckeres Kürbisgericht und frisch gebackenes Fladenbrot. Natürlich verlangte diese Speisenfolge nach einem guten Tropfen, und Fabio ließ es sich nicht nehmen, die Freunde dazu einzuladen. Alsbald wurde die Stimmung ausgelassen, und auf Drängen sämtlicher Gäste musste er wieder und wieder Zauberkunststücke vorführen. Mal zog er sich ein Ei aus dem Mund, mal schnitt er ein Tuch entzwei, welches sich im Anschluss wieder als ganz entpuppte, mal ließ er sich eine Goldmünze geben, steckte sie ein und vergaß scheinbar, sie zurückzugeben. Auf den Protest des Besitzers hin hieß er den Mann in seine Tasche fassen, in der – o Wunder! – die Münze sich befand. Am häufigsten aber musste er das Kunststück mit dem aus der Hand fließenden Wein zeigen. Wobei der Magister derjenige war, der am hartnäckigsten um Wiederholung bat, denn er wollte unbedingt hinter das Geheimnis kommen. Schließlich lehnte er sich zurück, putzte seine Berylle und stöhnte:
»Sic me servavit, Domine!
Alles ein Trugbild, ein Hirngespinst, eine Selbsttäuschung! Und dennoch: Ich bin zu blöde, kriege den Trick einfach nicht raus.«
    Da er damit aber nicht der Einzige war, tröstete er sich, indem er tief ins Glas schaute.
    Irgendwann in dieser Nacht, weinselig und fern der Heimat, beschloss die Gruppe, sich fortan zu duzen, denn es reiste sich besser so, und der Riese Enano, der sitzend wieder zum Winzling geworden war, bemerkte:
    »Hast Massel, Abrakadabramann, dassde mit uns tippelst, könntst keine bessren Bruchkadetten nich finden.«
     
    Am nächsten Morgen, man schrieb Freitag, den sechsten November, trafen die Freunde den Händler vor der Herberge. Fabio saß bereits gestiefelt und gespornt auf einer Bank, hielt die Taube Bussola in der Hand und fütterte sie Korn für Korn. Der Vorgang war offenbar nichts Besonderes, denn der Vogel pickte in aller Ruhe und ließ sich dabei von nichts und niemandem stören. »Sie mag am liebsten Sonnenblumenkerne. Ist sie nicht schön, meine Holde? So zierlich und anmutig?«
    Dem konnten die Freunde nur zustimmen. In der Tat war Bussola ein Prachtexemplar von einer Taube.
    »Sie ist etwas ganz Besonderes!« Fabio stopfte weiter Körner in den Schnabel des Vogels. »Ihr

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