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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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seine Muskete abgefeuert. Hatte er auch getroffen?
    Vitus sprang auf und verhedderte sich dabei mit den Beinen in seiner Decke. Im Lager herrschte völliges Durcheinander. Huschende Gestalten im fahlen Mondlicht. Räuber, Diebespack! Überall! Er riss Fabios Dolch aus dem Gürtel und wollte seinem Besitzer zu Hilfe eilen, da wurde er jählings selber angegriffen. Eine dunkler Schatten stürzte sich auf ihn, ein Schatten, in dessen Hand etwas blitzte. Es war das pure Glück, dass er die Hand zu fassen bekam, und als er sie gepackt hatte, hielt er sie eisern fest. Er wollte selbst zustechen, aber schon war sein Arm ebenso umklammert. Ein paar Atemzüge, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, rang er mit seinem Widersacher, dann merkte er, wie ihn die Kräfte verließen. Der Kerl war bärenstark. Es ging ums nackte Überleben, Regeln wie bei einem Duell gab es nicht! Vitus riss das Knie hoch und stieß es dem Halunken zwischen die Beine. Mit einem Schrei ließ der Mann los. Aufatmend hastete Vitus davon. Wo waren die anderen Kerle? Ein paar machten sich an Fabios Wagen zu schaffen. Die verfluchten Langfinger waren überall! Auch dort, wo der Zwerg, Antonella und Guido lagerten. Ein Klumpen aus Körpern bewegte sich dort, kämpfende Leiber, Wirrwarr und Schreie. Wieder krähte der Zwerg irgendetwas. Vitus schrie: »Warte, Enano, ich komme!«
    »Ich auch!«, hörte er hinter sich den Magister brüllen.
    Er wollte sich auf den Haufen aus Leibern stürzen, doch in diesem Moment wurde er zu Boden gerissen. Der erste Angreifer war wieder da und stach wie besessen auf ihn ein. Ein zäher Bursche! Vitus rollte sich zur Seite und bekam eine Stange in die Hand. Ohne zu überlegen, holte er aus und schlug zu. Der Halunke fiel wie ein gefällter Baum. Von diesem Erfolg beflügelt, rappelte er sich hoch, holte abermals weit aus und ließ die Stange auf das Knäuel aus Leibern niedersausen. Wieder und wieder. Aus den Augenwinkeln sah er den Magister kämpfen. Er hatte ebenfalls ein Holz in der Hand. Auch Fabio, der Überlandfahrer, rang mit einem Gegner.
    Vitus wusste nicht, wen er traf, ob Freund oder Feind, aber er wollte den Kampf beenden, das Lumpenpack verjagen und schlug nochmals und nochmals zu. Er war jetzt wie in einem Rausch und merkte kaum, dass bei seinen letzten Hieben die Stange gebrochen war. Das Holz war unbrauchbar geworden.
    Aber es wurde auch nicht mehr gebraucht.
    Das Diebes- und Mörderpack machte, dass es wegkam. In der hereinbrechenden Morgendämmerung sah er dunkle Gestalten davonlaufen. Die Hunde gaben Fersengeld. Gut so, Gott sei Dank! Jetzt galt es, sich um die eigenen Leute zu kümmern. Wobei er inständig hoffte, dass seine ärztliche Kunst nicht vonnöten sein würde.
    »Ist jemand verletzt?!«, rief er.
    Der Zwerg antwortete als Erster: »No, no, nee, nee!« Er raffte sein überlanges himmelblaues Gewand zusammen und kam zu Vitus herüber. »Die Sündenfeger sin allesamt wech!«
    »Ja, es scheint so, Gott sei Dank. Trotzdem: Dein Kleid ist über dem Buckel zerrissen, und wenn ich mich nicht täusche, blutest du. Ich schaue mir die Sache gleich an.«
    Der Magister trat herbei und knirschte mit den Zähnen: »Meine Berylle sind fort, schon wieder! Gebe der Himmel, dass ich sie finde.«
    Fabio, der dabei war, die Ladung seines Wagens auf Vollständigkeit zu überprüfen, rief: »Es scheint so, als hätten die Halunken nichts mitgehen lassen.
Fortunatamente!
Habe sie noch rechtzeitig überrascht. Allerdings verstehe ich nicht, woher die Brüder so plötzlich auftauchen konnten. Ich hätte sie doch sehen müssen.«
    »Was ich sehe, ist ein blutender Schnitt auf deiner Stirn«, gab Vitus zurück. »Er scheint nicht lebensgefährlich zu sein, aber er muss rasch verbunden werden.«
    »Ach, es ist nur ein Kratzer!« Fabio lachte. Seine gute Laune gewann schon wieder die Oberhand. »Den Brüdern haben wir es aber gegeben, was?«
    Guido meldete sich, noch völlig unter dem Eindruck des Erlebten stehend. »So etwas ist mir noch nie passiert«, stammelte er, »noch nie. Ich hatte Todesängste.«
    »Wiewo, du Gack? Todesängste?«
    »Ja, natürlich nicht um mich, sondern um meine Geige. Aber ihr ist, gottlob, nichts passiert.«
    Vitus ging auf Antonella zu, die sich als Einzige nicht erhoben hatte, sondern noch verstört am Boden saß. »Fehlt dir etwas, Antonella?«
    Die Bürstenbinderin blickte auf. »Nein, Cirurgicus, ich … ich glaube nicht. Enano hat mich verteidigt. Als die Burschen kamen, hat er sich über mich

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