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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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geworfen und mit seinem Körper geschützt. Er ist sehr tapfer.«
    »Gickgack, Blausinn!« Der Zwerg wurde sichtlich verlegen und wusste nicht, wohin er gucken sollte. »Hab nix nich gemacht.«
    »Das erzähle, wem du willst, nur nicht mir.« Vitus blickte über das Lager. Es war mittlerweile so hell geworden, dass alle Einzelheiten gut erkennbar waren. Der Kampf war heftig gewesen, davon zeugte allein schon die Tatsache, dass nichts mehr so dalag wie zuvor. Decken, Kisten und Gerätschaften waren verstreut, als hätte eine Riesenfaust sie durcheinander gewirbelt. Irgendwo entdeckte er seine Kiepe mit der chirurgischen Ausrüstung. »Du, Enano, und du, Fabio, ihr kommt zu mir, damit ich euch verarzten kann. Guido und Antonella räumen das Lager auf und helfen dem Magister, seine Berylle zu suchen.«
    Wenig später nähte Vitus den Schnitt auf Fabios Stirn mit sechzehn Stichen. Es war eine schmerzhafte Angelegenheit, denn der Überlandfahrer musste die Prozedur ohne Betäubungsmittel über sich ergehen lassen. Aber er sagte kein Wort. Nur als Vitus ihm einen Verband um den Kopf wickelte, fragte er, ob die Wunde Weihnachten wohl schon verheilt sei, er wolle in jedem Falle vermeiden, dass Miabella sich bei seinem Anblick erschrecke.
    Vitus beruhigte ihn und kümmerte sich um den Zwerg. Enano blutete bei weitem nicht so stark wie Fabio, dafür hatte er mehr Verletzungen als zunächst angenommen. Die Haut auf seinem Buckel war übersät mit Rissen und Quetschungen, die allesamt von Tritten herrührten. Antonella hatte die Wahrheit gesagt. Der Zwerg hatte sie mit seinem Körper geschützt. Vitus behandelte die Läsionen mit Doktor Chamouchas Salbe, zu der er noch etwas getrocknete Kamille beimischte. Anschließend legte er einige Kompressen auf, die er mit zwei Leinenbinden fixierte.
    Im Lager war die Ordnung halbwegs wiederhergestellt. Der Magister suchte noch immer seine Berylle, und Vitus begann damit, seine Arzneien zu verstauen. Dann stellte er die Kiepe in die Nähe der Büsche, damit sie nicht im Wege war. Er räumte eine Decke beiseite und hielt mitten in der Bewegung inne. Unter der Decke lag eine fremde Gestalt. Ein Toter. Ein Mann, der zu den Räubern gehört haben musste und zweifellos bei den Kämpfen erschlagen worden war.
    Vitus kniete nieder und untersuchte den Leichnam. Es handelte sich um einen noch jungen Mann, dessen Gesicht im Tode friedlich und nichts sagend wirkte, fast so, als könne der hinterhältige Überfall dadurch ungeschehen gemacht werden. Der Mann trug ein altes, zerschlissenes Barett mit Fasanenfeder.
    »
Deo gratias!
Ich hab sie!« Das war der Magister, der seine Berylle wiedergefunden hatte. Freudestrahlend hob er das Nasengestell auf, um dann einen gotteslästerlichen Fluch folgen zu lassen. »Beim Blute Christi! Verbogen und zersplittert! Warum muss ausgerechnet mir das immer wieder passieren! Dieses gemeine Lumpenpack, dieses Gesindel! Nur ihm habe ich das zu verdanken, ich … Moment, du Unkraut, wen hast du denn da? Einen Vertreter dieser Mistbande? Ich werde ihm eigenhändig die Gurgel umdrehen, ich werde …«
    »Gar nichts wirst du, der Mann ist tot. Er hat eine Kerbe im Schädeldach, als habe ihn jemand in zwei Hälften spalten wollen. Er muss sofort tot gewesen sein.«
    »Das warst du.«
    »Oder du. Wir haben beiden mit den Stangen um uns geschlagen, das weiß ich noch genau.«
    »Uh, das is’n bruchischer Aufstoß! Uuuh, meine schönen Spazierhölzer!« Enano hielt seine beiden Stelzen in der Hand. Eine war durchgebrochen, bei der anderen waren die Stege abgerissen. »Sin nich zum Keilen, meine Walzmänner, sin nich zum Keilen, uh!« Das Fischmündchen zuckte verdächtig. Antonella eilte zu ihm und versuchte ihn zu trösten. Auch die anderen scharten sich um ihn.
    Vitus sagte: »Ich fürchte, ich habe eine deiner Stelzen kaputt gemacht.«
    Der Magister echote: »Ich auch.«
    Vitus sprach weiter: »Es tut mir Leid. Sie lag direkt zu meinen Füßen. Griffbereit. Da habe ich sie genommen. Aber es war nicht umsonst. Einen der Halunken haben wir erwischt. Wenn wir ihn nicht erschlagen hätten, hätte er uns erschlagen.«
    »So ist es«, bekräftigte der kleine Gelehrte. »Man kann es auch anders sagen: Wenn deine Beinverlängerer nicht gewesen wären, würden wir alle hier jetzt nicht stehen. Ich schlage vor, Antonella bereitet uns ein kräftiges Frühstück zu. Oder sind die Vorfälle jemandem auf den Magen geschlagen?«
    Da das nicht der Fall war, hätte Antonella nun ein

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