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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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nur dann, wenn es nicht mehr anders geht. Die Male, dass Neugierige, Bettler, Versprengte oder Umherziehende durch unseren Feuerring angelockt werden, häufen sich. Wir wollen mit ihnen nichts zu schaffen haben und halten sie uns vom Leibe, indem wir ihnen zurufen, das Bauernhaus und die ganze Gegend seien von der Pest verseucht. Wir selbst jedoch wären dabei, uns selbst zu verbrennen, um Gott den Allmächtig gnädig zu stimmen, damit er die Seuche von der Menschheit nehme. Eine Notlüge, die sich aber immer wieder als erfolgreich erweist.
    Zu den Pferden, die außerhalb des Rings unsere Nähe suchen, hat sich eine Ziege gesellt. Niemand weiß, woher sie kommt. Vielleicht haben wir sie übersehen, als wir das Bauernhaus durchsuchten.
    Der Zwerg sagte gestern zu mir, der Verlust seiner Stelzen sei ihm mächtig sauer angekommen, aber die kleine Nella mit ihrem sonnigen Gemüt mache alles wieder »quitt«. Der Magister und ich, wir freuen uns für ihn.
    Fabio weint in den letzten Tagen häufig – ein seltsamer Anblick bei einem Koloss seiner Größe. Ihm fehlen die Frau und die Kinder. Die kleine Nella erinnert ihn ständig daran, dass er selbst gerade Vater geworden ist. Sein fliegender Liebling Bussola lässt noch immer auf sich warten, was ihn auch nicht gerade glücklich macht.
    Guidos Gebaren stimmt mich ebenfalls nachdenklich. Das Verhältnis zu seiner Geige wird mit jedem Tag seltsamer. Neuerdings nimmt er sie sogar mit auf den Abtritt, aus Angst, ihr könnte in seiner Abwesenheit etwas passieren.
    Ich hoffe, dass demnächst wieder so etwas wie ein normaler Tagesablauf eintritt.
    Vitus saß in Antonellas Zelt und versuchte, ihr heiße Fleischbrühe einzuflößen. Eigentlich hatte der Zwerg das machen wollen, aber er musste sich schon um Nella kümmern, und alles gleichzeitig tun konnte auch er nicht. So saß er jetzt im Männerzelt, das Kind auf dem Arm, und sang seinem »Streichling« rotwelsche Weisen vor.
    »Nimm doch einen Löffel«, sagte Vitus.
    »Nein. Danke, Cirurgicus.« Aus der so starken Frau war in den letzten Tagen mehr und mehr die Kraft gewichen. Sie fieberte und fror und schwitzte und klapperte mit den Zähnen, dass einem angst und bange werden konnte.
    »Es ist besser, du isst«, versuchte Vitus es nochmals. »Denke an die Kleine. Wie willst du ihr Milch geben, wenn du selbst nichts zu dir nimmst?«
    »Nein.«
    »Nun gut.« Er legte den Löffel zur Seite. »Antonella, ich muss mit dir reden. Ich will dir keine unnötige Angst einjagen, aber ich mache mir erhebliche Sorgen um dich. Du zeigst alle Anzeichen einer starken Influenza. Du leidest. Du hast noch immer Schmerzen in deinem Schoß, wie du mir sagtest. Und dennoch darf ich dir nicht helfen. Willst du, dass wir alle mit der Influenza geschlagen werden?«
    Antonella schüttelte schwach den Kopf.
    »Noch eins, da du nur auf klare Worte zu hören scheinst: Die Anzeichen der Influenza können deckungsgleich mit denen der Pest sein. Was es bedeutet, wenn dich die Seuche gepackt hat, muss ich dir nicht lange erklären. Wenn du schon nicht essen willst, beantworte wenigstens meine Fragen: Hast du außer dem hohen Fieber auch Durchfall?«
    »N … nein.« Deutlich sah man Antonellas Gesicht an, wie peinlich ihr die Frage war.
    »Musstest du dich irgendwann in den letzten Tagen heftig erbrechen?«
    »Nein, nein.«
    Vitus atmete auf. Aber noch war er sich seiner nicht sicher. »Ich fürchte, ich muss noch einen Blick auf deine Leisten werfen. Erst wenn dort keine Schwellungen oder Bubonen festzustellen sind, kann ich davon ausgehen, dass du wirklich nur eine Influenza hast.«
    »Nein.«
    »Nein?« Vitus wurde langsam ärgerlich. »Höre, Antonella, für falsche Scham ist jetzt nicht die Zeit. Ich bin Arzt und muss dich untersuchen. Ich tue das nicht, weil es mir Vergnügen bereitet, sondern aus Sorge um die gesamte Gruppe. Außerdem habe ich dich schon einmal nackt gesehen.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, schob er ihr das Nonnengewand hoch.
    Unwillkürlich zuckte Antonellas Hand zu ihrem Schoß und bedeckte ihn, als wolle sie dadurch ihre Unschuld retten. Er kümmerte sich nicht darum und überprüfte die Leistengegend. Gott sei Dank, keine Anzeichen von Bubonen!
    Er zog das Gewand wieder zurück. »Du bist fieberkrank, aber die Pest hast du nicht. Unser Feuerring scheint tatsächlich guten Schutz zu bieten. Sei ehrlich, war die Untersuchung wirklich so schlimm?«
    Die junge Mutter schüttelte den Kopf. Tränen traten ihr in die Augen.
    »Nanu, du

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