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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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er hatte sich zu früh gefreut, denn schon kam eine weitere Frage:
    »Die Reise vom Feuerring nach Piacenza und Genua und von dort weiter über das Meer nach Barcelona, die seid Ihr mir noch schuldig, Cirurgicus. Aber ich denke, es ist zu spät, als dass ich erwarten dürfte, sie jetzt von Euch zu hören.«
    »Ich werde sie später erzählen, Pater. Wenn wir gemeinsam weiterziehen.«
    »Das ist sehr liebenswürdig, mein Sohn. Ihr wisst, ich liebe Geschichten.«
     
    Am gleichen Morgen, nach kaum zwei oder drei Stunden Schlaf, waren alle noch müde, aber Vitus drängte auf einen frühen Aufbruch, nicht zuletzt, weil Ernesto mit seiner Idee vorauszureiten, neue Unruhe in ihm entfacht hatte. Der Gottesmann stand am Wegesrand, beobachtete, wie die Gefährten die letzten Gepäckstücke schulterten, und machte probeweise ein paar Schritte in seinen neuen gelben Pantoffeln. »Der Herr ist mein Zeuge«, rief er, »dieses Schuhwerk ist wirklich von angenehmer Tragweise. Ich habe das Gefühl, als könnte ich gleich bis Santiago de Compostela durchlaufen.«
    Der Magister trat neben ihn. »Für heute mag zunächst Alesón genügen, was gut zwanzig Meilen westlich von Logroño liegen soll. Aber ich versichere Euch, Pater, spätestens dann wird Euer Schuhwerk mit Euch verwachsen sein, und Ihr werdet es nicht mehr ablegen wollen.«
     
    Die Marschgeschwindigkeit der Gefährten mitzuhalten fiel Pater Ernesto leichter, als er gedacht hatte. Ob es an seinen neuen Schuhen lag, dem frühlingshaften Wetter oder der guten Stimmung, die in der Gruppe herrschte, vermochte er nicht zu sagen. Aber es war ihm auch einerlei, denn der Cirurgicus verstand es überaus fesselnd über den letzten Teil seiner Reise zu erzählen.
    »Wisst Ihr, Pater«, sagte er gerade, »es war kein leichtes Unterfangen, in Genua einen Kapitän aufzutreiben, der bereit war, uns über das Ligurische Meer nach Barcelona zu bringen, denn um die Jahreswende herum verlässt kaum eine Frachtgaleere den Hafen. Dazu kam, dass wir die Passage nicht bezahlen konnten und auch nicht so aussahen, als gehörten wir zu den Leuten von Stand.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Ernesto. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie fremdartig die Gruppe auf andere gewirkt haben musste – ihm selbst war es ja auch so ergangen.
    »Tagelang trieben wir uns am Hafen herum, lebten von Gelegenheitsarbeiten und von den Redekünsten des Magisters, der auf der Piazza San Matteo einer staunenden Menschenmenge unsere Erlebnisse erzählte.«
    »Ja«, rief der kleine Gelehrte von hinten, denn er bildete die Nachhut der Gruppe, »ich fühlte mich wie eine Mischung aus Cicero und Schehrezâd.«
    Pater Ernesto wandte sich um, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. »Wer Cicero ist, weiß ich wohl, Herr Magister, aber wer ist Scheh …, äh, wie war der Name?«
    »Schehrezâd, Pater. So hieß die schöne Erzählerin aus
Alf laila waleila.
«
    »Was heißt denn das nun wieder?«
    »Es ist arabisch und bedeutet Tausendundeine Nacht.«
    »Genauso ist es.« Vitus sprach weiter. »Um das Stichwort
Alf laila waleila
aufzugreifen: Unsere zahllosen Bemühungen um eine Überfahrt kamen mir wie ein böses Märchen vor. Zuletzt wusste ich nicht mehr ein noch aus, ich wollte, ja, ich musste unbedingt nach Campodios, und doch saßen wir fest, als hätte man uns allesamt an die Kaimauer gekettet. Wir versuchten es nicht nur in den Kontoren und Schuppen der Handelskompagnien, sondern auch in der Nähe des Leuchtturms, des Torre della Lanterna, doch es war vergebens. Wir probierten es in der Umgebung der Kathedrale San Lorenzo, wo sich so manche Locanda befindet, in der Seeleute gerne zechen, ebenfalls vergebens. Wir bemühten uns, am Palazzo Ducale reiche Kaufherren anzusprechen, um sie zu fragen, ob eines ihrer Schiffe nach Barcelona ginge – vergebens.«
    »Wenn alle Eure Anstrengungen sich als umsonst erwiesen, kommt es ja einem Wunder gleich, dass Ihr am Ende doch noch Glück hattet, Cirurgicus.«
    »Nennt es, wie Ihr wollt: Glück, Wunder oder ein absonderliches Zusammentreffen von beidem. Jedenfalls war es in der
Locanda Fortuna,
wo wir nach einem langen Tag voller bitterer Abfuhren wieder einmal saßen und Trübsal bliesen. Gottlob hatten wir ein paar Münzen in der Tasche, so dass wir etwas zu essen bestellen konnten. Der Wirt war ein freundlicher Mann, der uns ein wenig mehr gab, als er hätte müssen, und auch für Bartmann hatte er auf dem hinteren Hof ein Grasplätzchen gefunden. Ja, so war das an diesem

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