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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Magister vor ihr. »Voll gefüllt mit gutem Wasser.« Da seine Hände nach wie vor gefesselt waren, hielt er den Schlauch mit beiden Händen an einem Ende hoch.
    »Oh, danke!« Rabia wollte aufspringen, wurde sich aber bewusst, dass dies das falsche Verhalten gewesen wäre. Immer wieder vergaß sie ihre Rolle. »Gib mir das Wasser«, sagte sie, um einen förmlichen Ton bemüht. Sie öffnete das Mundstück und wollte trinken, doch musste sie zuvor ihren Schleier entfernen, was selbstverständlich in Anwesenheit eines fremden Mannes nicht möglich war.
    »Dreh dich um«, sagte sie.
    Verwundert gehorchte der kleine Mann.
    Rabia löste den Schleier und nahm ein paar tiefe Züge. Wie gut das tat! Sie schloss die Augen, atmete ein paarmal durch und trank erneut. Wasser war die Quelle allen Lebens, ein Geschenk Allahs des Allwissenden, so sagte man in der Wüste. Mit jedem Schluck, der ihr durch die Kehle rann, spürte sie es.
    Sie verschloss den Schlauch und legte ihn beiseite. Nun erst öffnete sie die Augen wieder. Zu ihrer Überraschung stand der Magister noch immer da. Rasch zog sie den Schleier vors Gesicht. »Du kannst dich wieder umdrehen.«
    Er tat es.
    Sie sah die Erschöpfung in seinem Gesicht, während er einfach weiterhin dastand.
    Verlegenheit breitete sich zwischen ihnen aus.
    Rabia fragte sich, was sie noch Zwangloses sagen konnte, doch ihr fiel nichts ein.
    »Tja, d …«, sagte der Magister.
    »Ich k …«, sagte Rabia im selben Moment.
    Beide stockten. Dann setzte die Dienerin erneut an: »Ich kann dir nur ein paar Datteln geben und ein paar Zwiebeln, Geschichtenerzähler.« Essen anzubieten konnte kein Fehlverhalten sein, sagte sie sich, denn die heiligen Gesetze der Gastfreundschaft galten überall in der Wüste, und nirgendwo im Koran stand, dass sie gegenüber Sklaven keine Anwendung finden durften.
    »Danke!«, krächzte der Magister. »Meine Freunde und ich sind zu geschwächt, als dass ich dein Geschenk nicht annehmen könnte.« Er nahm die Nahrung, die in zwei Säckchen steckte, an sich.
    »Bekommt ihr denn zu wenig zu essen?«, fragte Rabia.
    »Zu wenig wäre zu viel gesagt.« Für einen kurzen Augenblick erschien auf seinem Gesicht das Grinsen, dass sie vom Souk her so gut kannte. »Wir kriegen Bohnen und Hirsebrei und Hirsebrei und Bohnen und wieder Bohnen und Hirsebrei. In minimalen Mengen. Etwas eintönig, das Ganze. Deine Gabe wird Abwechslung in die Speisefolge bringen. Ich danke dir nochmals und wünsche dir eine angenehme Nacht. Und sollte ich mich irgendwann für deine Güte erkenntlich zeigen können, so will ich ganz dein Diener sein.« Wieder grinste er, verbeugte sich kurz und war verschwunden.
    Der Nächste, der zu ihr kam, war Hadschi Abdel Ubaidi, der Khabir. Rabia hatte gerade selbst einige Datteln und etwas Fladenbrot zu sich genommen und noch einmal zum Ziegenschlauch gegriffen.
    »Ich komme, um dir etwas zu sagen«, begann der Karawanenführer. »Erlaubst du, dass ich mich zu dir setze?«
    »Ja, sicher. Natürlich. Was willst du mir denn sagen?« Rabia rückte höflich ein wenig zur Seite.
    »Nun, ich habe gesehen, wie du den Gefangenen vorhin Wasser gegeben hast.«
    Rabia erschrak. Sie wollte etwas erwidern, unterließ es dann aber. Stattdessen bot sie an, einen Aufguss von Minze zu brühen.
    »Nein, danke. Ich wollte dir nur sagen, dass ich es nicht gesehen habe.«
    »Wie? Was meinst du?« Rabia verstand nicht. Hatte der Khabir nun etwas bemerkt oder nicht?
    Hadschi Abdel Ubaidi lächelte leicht. »Ich will damit sagen, dass ich es übersehen habe.«
    »Allah sei Dank.« Der Dienerin fiel ein Stein vom Herzen. »Aber wieso tust du das?«
    »Nun« – der Khabir setzte sich bequemer hin –, »es hängt damit zusammen, dass man das eine nicht tun kann, ohne das andere zu lassen. Ich meine, du hast von der Gebieterin den Auftrag, mit meiner Hilfe die sechs Sklaven nach Fez zu bringen, wo sie in den Foggara knechten sollen. Ich wiederum habe von ihr den Auftrag, den Kerlen nur einmal am Tag einen Becher Wasser zu geben. Beides zusammen aber geht nicht. Wenn die Sklaven weiterhin so wenig Wasser kriegen wie bisher, verdursten sie – und kommen niemals in Fez an. Ich hätte dann meinen Befehl befolgt, du jedoch nicht den deinen.« Wieder lächelte der Khabir. »Es ist also besser, wenn ich gewisse Dinge übersehe. Ich möchte nicht, dass du in Schwierigkeiten gerätst.«
    Rabia wollte sich dankbar zeigen und bot nochmals an, von der Minze aufzugießen, doch Hadschi Abdel

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