Die Mission des Wanderchirurgen
sondern auch gute Kunde: »Sîdi Moktar«, meldete der Anführer mit einer tiefen Verbeugung, »wir haben die Räuber in die Flucht geschlagen. Es war ein Trupp junger Burschen, nur eine Hand voll gieriger Nichtsnutze, mehr nicht. Aber sie hatten es auf unsere Kamele abgesehen. Als wir sie überraschten, waren sie gerade dabei, ihnen die Kniefesseln abzunehmen. Zweien gelang es, ein Tier zu entwenden, und sie sind leider entkommen. Die anderen verfolgten wir, wobei Ngongo und Wessel mitkamen und uns halfen. Ich muss sagen, die beiden haben sehr flinke Beine, ohne ihre Hilfe hätten wir die Diebe nicht gefangen.«
»Das ist wirklich gute Kunde.« Sîdi Moktar atmete sichtlich auf. »Was wurde aus den Gefangenen?«
»Ich habe ihnen persönlich die rechte Hand abgehackt, Herr. Dann habe ich sie dahin geschickt, von wo sie gekommen sind. Wo immer das sein mag.«
»Gut gemacht. Was wurde aus meinem Hengst Dschibril?«
»Er ist nach wie vor da, Herr. Kein Wunder: Er hat die Diebe nicht an sich herangelassen. Ich glaube, die Langfinger haben erst einmal genug. Die sehen wir so schnell nicht wieder.«
»Allah möge deine Worte hören und gutheißen. Und was ist mit meiner Ware?«
»Nach wie vor alles da, Sîdi Moktar. Wir hatten die Lasten ja von den Kamelen genommen.«
»Haben wir genug Reservetiere, damit alle Ballen und Kisten weitertransportiert werden können?«
»Ja, Herr, das ist kein Problem. Dafür habe ich vor Beginn unserer Reise gesorgt.«
»Schön, schön, du hast mit deinen Männern sehr gute Arbeit geleistet. Ich werde euch belohnen, genauso wie dich, Ngongo, und dich, Wessel. Was das sein wird, weiß ich noch nicht. Doch nun lasst uns nicht weiter hier in der Kälte stehen, Freunde, das Feuer lockt.«
Sie gingen wieder zur Feuerstelle, wo sie jedoch feststellen mussten, dass kaum noch Glut vorhanden war. Die Diener hatten sich nicht um die Flammen gekümmert und sich stattdessen ebenfalls verkrochen. Der zierliche Handelsherr nahm ihnen das, nach allem, was passiert war, nicht weiter übel, doch war er dankbar für die Wärme, die ihn kurze Zeit später wieder umfing. »Lasst uns weiteressen«, forderte er die Gefährten auf, und sie ließen es sich schmecken. Nur ein anregendes Gespräch mit Geschichten und Erzählungen von Schehrezâd wollte nicht recht aufkommen.
Zu sehr saß ihnen allen noch der Schreck in den Gliedern.
Der vierte Tag der Reise verlief zunächst so ereignislos, als seien die Schrecken der letzten Nacht niemals geschehen, doch gegen Mittag verfinsterte sich der Himmel, und einer der seltenen Platzregen ging nieder. Aus dem Wadi, dem sie von den Vormittagsstunden an gefolgt waren, wurde im Handumdrehen ein reißendes Wasser, eine Strömung, so stark, dass Mensch und Tier Mühe hatten, sich in Sicherheit zu bringen.
Kurze Zeit danach strahlte die Sonne wieder und sog dampfend die Feuchtigkeit aus der Erde. Mit der für diesen Landstrich eigenen Schnelligkeit begann hier und da Grün emporzusprießen, ja, mitunter sogar eine zarte Blüte. Sie ritten weiter ohne Rast, denn durch den unverhofften Regen hatten sie Zeit verloren. Sîdi Moktar dachte an Oran und die dort lockenden Geschäfte.
Am Abend, sie hatten den Marktflecken Taourirt hinter sich gelassen und befanden sich auf bestem Wege nach Oujda, wurden wiederum die Zelte aufgeschlagen. Der zierliche Handelsherr hielt eine gesonderte Zwiesprache mit Allah dem Allmächtigen und wandte sich danach gestärkt an seinen Khabir. »Müssen wir heute Nacht wieder mit einem Überfall rechnen?«, fragte er, und der Mann antwortete:
»Nein, Herr, daran glaube ich nicht. Es sei denn, es fiele anderem Diebespack ein, uns heimzusuchen.«
»Sollte es so sein: Verderben über ihre Hände!« Sîdi Moktar spie den Satz förmlich aus. »Ich wünschte, ich hätte mehr Krieger mitgenommen!«
»Du könntest unsere Streitmacht leicht um zwei Mann erhöhen«, sagte der Khabir.
»Wie das? Du redest in Rätseln!«
»Nun, Herr, es ist so: Ngongo und Wessel baten mich, nachts auf Streife mitreiten zu dürfen. Sie haben wohl Geschmack an der gestrigen Hatz auf das Diebespack gefunden. Ich habe ihnen aber nichts zugesichert. Die Genehmigung dazu kannst nur du ihnen geben.«
Vitus mischte sich ein: »Verzeihung, wenn ich unterbreche, aber wo sind die beiden überhaupt?«
»Bei den Kamelen, Cirurgicus. Sie sind von zurückhaltendem Wesen und mochten wohl nicht selber fragen.«
»Schön, schön«, ergriff Sîdi Moktar wieder das Wort, »meinen
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