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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Beduinenfrau, die im Ostflügel übernachtet, gab es mir schließlich.«
    »Was ist das?«, fragte Bûdur.
    »Ein Monatsschwämmchen. Es ist sehr praktisch. Wenn die Blutung beginnt, steckst du es in die Scheide. Das ist schon alles. Du musst es nur tief genug einführen, damit es alles Blut aufsaugen kann.«
    »Tut das nicht weh?«
    »Nein. Aber du darfst das Schwämmchen nicht zu lange in dir lassen, weil sonst Geruch entsteht. Du musst es regelmäßig herausnehmen und auswaschen. Danach kannst du es wieder verwenden.«
    »Woher weißt du das alles, Mutter?«
    Nâdschija lachte leise. »Weil ich selbst ein solches Hilfsmittel benutze. Unglücklicherweise habe ich gerade ebenfalls meine Tage, sonst hättest du meines haben können.«
    Bûdur nahm den blassgelben vielporigen Gegenstand in die Hand und drückte ihn. Biegsam gab er nach und wurde winzig klein. Nun konnte sie sich vorstellen, dass er in ihrem Schoß Platz finden würde.
    »Tauche das Schwämmchen ins Wasser, dann wirst du sehen, wie es funktioniert«, sagte Nâdschija.
    Bûdur gehorchte und betrachtete voller Staunen, wie es eine gute Portion Flüssigkeit aufsog. Sie drückte das Wasser heraus und legte es zur Seite. »Danke, Mutter«, sagte sie förmlich. »Ich werde es nachher ausprobieren.«
    »Ja, gut.«
    »Sag mal, Mutter, warum hast du mir nie etwas über die Monatsblutung erzählt?«
    Nâdschija seufzte. »Die Frage musste kommen. Ich weiß, es war falsch von mir zu schweigen. Aber du warst als Kind immer mehr Junge als Mädchen. Bist die höchsten Palmen hinaufgeklettert und hast dich mit den stärksten Burschen im Ringkampf gemessen. Ein richtiger Wirbelwind warst du, und das ist noch gar nicht so lange her. In dieser Zeit hielt ich es nicht für notwendig, dich schon mit derlei Dingen zu belasten. Ich sagte mir, die Last mit der Regel kommt sowieso viel zu früh, warum also schon jetzt darüber sprechen? Aber ich gebe zu, es war ein Fehler.«
    »Ja, Mutter, das war es. Noch nie in meinem Leben habe ich solche Ängste ausgestanden.«
    Nâdschija strich ihrem Kind über den Kopf. »Ach, meine kleine Wildrose. Natürlich habe ich bemerkt, dass du in den letzten Monaten erblüht bist, dass dein Busen zu wachsen begann, doch ich schob ein Gespräch immer wieder hinaus. Es ist ja auch nicht besonders angenehm, über solche, äh, körperlichen Angelegenheiten zu reden. Außerdem, wenn ich ehrlich bin, hoffte ich darauf, dass eine der anderen Frauen unseres Gebieters dir die Zusammenhänge erklären würde.«
    Bûdur nickte. Der Gecko hatte inzwischen die Fliege gefangen und verschluckt. Man erkannte es an dem schwarzen Punkt in seinem Leib. Irgendwie tat ihr das Insekt Leid. Auch die Mutter tat ihr plötzlich Leid. Sie erkannte, dass Nâdschija einerseits herzensgut, andererseits aber auch scheu und zurückhaltend war. »Lass nur, jetzt weiß ich ja Bescheid.« Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich ihrer Mutter überlegen. Es war ein seltsames, aber auch ein gutes Gefühl.
    Nâdschija fuhr fort, über Bûdurs Kopf zu streichen. »Tut es noch weh, meine kleine Wildrose?«
    »Nein, Mutter. Es war gut, dass der Cirurgicus die Idee mit dem Sitzbad hatte. Ich fühle mich wieder ganz gesund.«
    »Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«
    »Nein, Mutter. Ich stehe gleich auf und benutze das Monatsschwämmchen. Du brauchst nicht dabei zu sein.«
    Bûdur kam sich sehr erwachsen vor.
     
    »Hier, meine kleine Wildrose, ich wollte sie dir eigentlich erst einen Tag vor der Hochzeit zeigen, aber ich denke, ich habe etwas gutzumachen.« Nâdschija hielt eine goldene Bildkapsel hoch, die nicht größer als die Kuppe eines Daumens war. »So schaut dein Bräutigam Kamar aus.«
    Budûr rückte näher an das nächtliche Feuer vor dem Frauenzelt. Eine der Dienerinnen hatte gerade trockenes Geäst nachgelegt. Die Flammen züngelten empor und beleuchteten die Abbildung eines jungen Mannes mit nichts sagendem Äußeren. »Besonders hübsch ist mein zukünftiger Gemahl nicht«, stellte sie ernüchtert fest. »Er sieht aus, als wäre er noch jünger als ich. Nicht einmal einen Bart hat er.«
    »Aber, aber«, versuchte Nâdschija zu beschwichtigen, »er hat sehr schöne Augen und einen ausdrucksstarken Mund.«
    »Er hat Lippen wie ein Neger.«
    »Nein, das täuscht. Sie sind nur voll. Glaub mir, du wirst es zu schätzen wissen, wenn er dir als Bräutigam den ersten Kuss gibt.«
    Budûr schwieg. Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn ein fremder Bursche sie auf

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