Die Mission des Zeichners
schon mal die Möglichkeit zu einem Gespräch unter vier Augen haben, können Sie sich morgen den Weg in mein Büro sparen.«
Alle Erleichterung über die gelungene Täuschung Walpoles in Bezug auf Estelle war mit einem Schlag verflogen, als er begriff, dass er sich schleunigst etwas zu Atterbury und McIlwraith einfallen lassen musste. Er wartete nur einen tiefen Atemzug lang. »Ich habe... mir eine Audienz verschafft.. im Palast des Bischofs.«
»Wann?«
»Heute in einer Woche.«
»In einer Woche? Warum so spät?«
»Er ist ein viel beschäftigter Mann, Sir.«
»Beschäftigt, ja, aber womit? Das wollen wir wissen.«
»Mehr konnte ich nicht erreichen, Sir.«
»Wer hat Ihnen die Audienz gewährt?«
»Sein Sekretär, Sir. Reverend Kelly.«
»Suchen Sie Kelly noch mal auf. Sagen Sie ihm, Sie können - werden - nicht so lange warten.«
»Aber...«
»Sprechen Sie mit ihm.« Der Stock wanderte zu Spandrels Kinn und drückte es nach oben, sodass der Kopf nach hinten kippte. »Erstatten Sie meinem Bruder übermorgen Meldung. Ich verlange schnellere Fortschritte. Verstanden?«
»Sehr wohl, Sir«, krächzte Spandrel so deutlich, wie es ihm seine Haltung erlaubte.
»Wollen wir es hoffen.« Walpole wirbelte den Stock zur Seite. »Und jetzt fort mit Ihnen, verdammt noch mal!« Damit ließ der Schatzkanzler Spandrel stehen und stolzierte weiter die Straße hinunter.
Selbst ein Robert Walpole konnte nicht immer alles bekommen. Spandrels Problem war, dass die Stunde der Wahrheit, in der er ihm das erklären musste, unaufhaltsam näher rückte. Er konnte allenfalls hoffen, dass McIlwraith ihm diese Zwangslage ersparen würde. So war er den ganzen nächsten Tag zu quälender Ungewissheit verdammt. Seiner Mutter hatte er weisgemacht, er suche London nach Vermessungsinstrumenten ab, während er in Wahrheit - bedrückt von seinen Sorgen - ziellos durch die Straßen der Stadt wanderte.
Am Donnerstag fühlte er sich nicht besser. Im Gegenteil! Noch vor dem Abend musste er Walpoles Bruder seinen Bericht vorlegen. Sein erdichtetes Werk verfasste er in einem Kaffeehaus am Covent Garden, wo er zuvor in den Zeitungen vergeblich nach irgendeinem Hinweis auf McIlwraiths Absichten gesucht hatte. Ich habe es nicht vermocht, einen früheren Zeitpunkt für die Audienz zu bekommen, schrieb er.
Hätte ich hartnäckig darauf bestanden, hätte ich meinem Anliegen wohl eher geschadet als genützt. Ein hübscher Gedanke, dachte er. Andererseits bin ich zuversichtlich, dass ich nächste Woche bei meinem Besuch in Bromley erreichen werde, was Sie von mir erwarten. Natürlich war er hinsichtlich gar nichts zuversichtlich, außer dass er nächste Woche nicht nach Bromley gehen würde.
Die Übergabe des Berichts schob er bis zum späten Nachmittag hinaus. Er schlich durch die Gegend um Strand und Fleet Street, schleppte sich den Ludgate Hill zur St. Paul's Cathedral hinauf und näherte sich dem General Post Office in der Lombard Street, wo der Postminister residierte, langsam durch ein Geflecht von engen Gassen, die er aus den Tagen des Vermessens noch gut kannte.
Er wurde erwartet. Der Pförtner brachte ihn zum Sekretär des Postministers, einem schweigsamen Burschen, der alles, was für die Empfangsbestätigung nötig war, mit einem langen, prüfenden Blick und einem Nicken ausdrückte. Der Bericht war angenommen worden.
Spandrels Nervosität wuchs sich zu Herzflattern und Gliederzittern aus. Er erreichte die Threadneedle Street und besichtigte den Innenhof des South Sea House, wo allein schon die Auswirkungen der Verwahrlosung auf Stukkatur und Bemalung den Niedergang des Unternehmens offenbarten. Noch nie hatte er den Fuß über diese Schwelle gesetzt, und doch kannte er dank dem Grünen Buch die dunklen Geheimnisse seiner durch den Bankrott beendeten Machenschaften -und wünschte sich bei Gott, er wüsste nichts.
Vom South Sea House zog er weiter durch die Lothbury Street den vielen Gasthäusern zwischen der Lad Lane und der Love Lane entgegen, mit dem Ziel, das Bewusstsein seiner selbst und seine Sorgen in einer ihrer höhlenartigen Schank-stuben zu ertränken. Sein Weg dorthin führte ihn in Sichtweite der Guild Hall. Ein Blick auf sie genügte, um ihn daran zu erinnern, wie sein Vater mit ihm dort eine Lotterieziehung besucht hatte, die die Regierung während des Spanischen Erbfolgekriegs regelmäßig veranstaltet hatte, um Geld für Marlboroughs Armee aufzutreiben.
Zwei riesige Trommeln waren damals im Bankettsaal aufgestellt
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