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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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bald aufwachen würde. Er kehrte zum Fenster zurück und öffnete es.
    Kirchenglocken läuteten. Es war Sonntagmorgen. Die Ereignisse des Vortags gehörten der Vergangenheit an. Doch in seiner Erinnerung waren sie frisch und lebendig. Klarer als den Ausblick unter sich mit Fluss, Feldern und Kapelle, hatte er McIlwraith vor seinem geistigen Auge, wie er mit dem Schwert in der Hand oben auf dem Blind Man's Tower stand, um im nächsten Moment mitsamt dem Gebäude ins Vergessen gerissen zu werden. »Mich kriegen Sie nie!«, hatte er gerufen. Und er hatte Wort gehalten.
    Nun war dieser kauzige Haudegen vom Erdboden verschwunden. Er hatte das letzte seiner Leben aufgebraucht. Spandrel taumelte zum Bett zurück und legte sich hin. Brennende Tränen stiegen ihm in die Augen, und eine nie für möglich gehaltene Trauer brach aus ihm heraus. Zugleich begriff er, dass dies ein Schmerz war, der durch Angst zusätzlich verstärkt wurde. McIlwraith hatte ihn schon einmal gerettet. Was würde jetzt mit ihm geschehen? Wer - wenn überhaupt -würde ihn diesmal retten?
    Die Kirchenglocken waren verstummt, und der Einfallswinkel der Sonnenstrahlen über den Dächern Etons war mit dem Fortschreiten des Tages steiler geworden, als draußen im Gang Schlüssel rasselten und die Tür zu Spandrels Zimmer endlich geöffnet wurde. Ein grimmig dreinblickender Wärter mit der Statur eines Bären baute sich auf der Schwelle auf und trat dann zur Seite, damit ein Küchenhelfer eine erstaunlich gut riechende Mahlzeit vor Spandrel abstellen konnte, um sogleich wieder hinauszueilen.
    »Weswegen bin ich...?« Spandrels zu spät gestellte Frage ging in Türenknallen und neuerlichem Schlüsselrasseln unter.
    Eine halbe Stunde später wurde die Tür erneut geöffnet. In der Annahme, es wäre der Küchenhelfer, hielt Spandrel den leer geleckten Teller zur Rückgabe bereit, doch unvermittelt sah er sich der in Sonntagsstaat gehüllten, fülligen Gestalt eines äußerst missmutig dreinblickenden Robert Walpole gegenüber. »Stellen Sie den Teller ab, Sir! Halten Sie mich etwa für eine Hausgehilfin?« Walpole drehte sich zum Wärter um. »Machen Sie die Tür hinter sich zu. Und bleiben Sie in Rufweite.« »Jawohl, Sir.« Der Wärter schloss die Tür. »Nun, Spandrel. Wie treffe ich Sie an? Laut dem Arzt so gut wie unverletzt.« Walpole schlenderte zum Fenster und schaute hinaus. »Und gut untergebracht, wie ich sehe.« »Bin ich Ihr Gefangener, Mr. Walpole?« »Ganz gewiss sind Sie das, Sir, aber mit guter Nahrung und einem weichen Bett, dank Mrs. Davenant. Sie versichert mir, dass Sie Ihr Bestes getan haben, um meinen Sohn zu retten. Und er ist gerettet worden. Aber da Sie ein Großteil der Verantwortung für die Gefahr, der er ausgesetzt war, tragen ...« »Damit hatte ich nichts zu tun.«
    »Unterbrechen Sie mich nicht!« Walpole wirbelte herum und blitzte ihn wütend an. »Sie wussten, das McIlwraith noch lebte, haben aber nichts gesagt. Ich vermute, dass Sie auch wussten, was er vorhatte, und trotzdem geschwiegen haben, wohl weil Sie darauf spekuliert haben, dass sein Plan im Falle seines Gelingens meinen Sturz herbeiführen würde. Erst als Sie merkten, dass ich seinen Forderungen nicht nachgeben würde und Sie somit zum Komplizen bei der Ermordung meines Sohnes geworden wären, haben Sie versucht, die Situation zu retten. Was Ihnen zum Teil gelungen ist.« »Ihr Sohn ist am Leben.«
    »Allerdings. Aber der Adjutant von Colonel Negus und zwei Angehörige seines Trupps sind es nicht mehr. Gesteinstrümmer wie das, das Sie lediglich gestreift hat, haben sie getötet. Und ein Verhör der Entführer meines Sohnes ist auch nicht mehr möglich. Zwei sind tot, und einer hat sich versteckt. Wie soll ich da ohne die Aussagen, die nur sie hätten machen können, Atterburys Beteiligung an diesem Komplott beweisen?«
    »Aber Ihr Sohn lebt!«, wiederholte Spandrel verzweifelt.
    »Ja. Und wenn ich glauben könnte, Sie hätten ihn aus christlicher Nächstenliebe zu retten versucht und nicht aus Sorge um Ihre eigene Haut, dann würde ich Sie auch mit Dank überschütten. Aber das glaube ich eben nicht. Und ich bezweifle, dass Sie so unverfroren sind und versuchen werden, mir das Gegenteil einzureden.«
    »Ich habe mein Bestes getan, Sir.«
    »Um zwei Herren zu dienen und sie gegeneinander auszuspielen. Um das zu erreichen, haben Sie Ihr Bestes getan, Spandrel. Und daran sind Sie, wie nicht anders zu erwarten, gescheitert. Nun, Scheitern kostet seinen Preis. Und Sie

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