Die Mission
verheerenden Einfluss auf ihre Sprache!
»… wir sind Revolutionäre, außerdem würden wir sowieso ins Gras beißen, egal ob wir die Waffen abgeben oder nicht. Und als Revoluzzer nehmen wir von niemandem Befehle entgegen.«
Sehr bald mussten Gorski und Wysochi feststellen, dass Revoluzzer sehr wohl Befehle entgegennahmen, allerdings nur die von Trixie Dashwood. Sie wusste stets, was zu tun war, und zögerte auch nicht, den anderen klarzumachen, wie das geschehen sollte. Den Morgen verbrachten sie damit, die scheinbar endlose Schlange von jungen Männern und Frauen einzuteilen. Trixie war angenehm überrascht, als sie entdeckte, wie viele Frauen sich freiwillig gemeldet hatten, um Warschau zu verteidigen. Alle wurden mit einem weißen Armband ausgestattet, auf dem die Initialen FAW – Freie Armee Warschau – prangten, dann wurden sie in Paare eingeteilt, und jedes Paar erhielt ein Martini-Henry-Gewehr und einhundert Patronen Munition. Danach wurden Gruppen von zwanzig Personen gebildet, denen beigebracht wurde, wie man die Gewehre lud und damit schoss.
Als Wysochi fragte, warum nur jeder zweite Freiwillige ein Gewehr erhalten sollte, überraschte ihre Antwort sogar einen kaltschnäuzigen Pragmatiker wie ihn. »Wir haben nicht genügend Gewehre für alle, Feldwebel, denken Sie daran, dass wir auch noch die restliche FAW bewaffnen müssen. Also wird einer das Gewehr tagsüber haben und der andere nachts. Vermutlich hat eine Woche nach dem ersten Angriff der Waffen- SS die Hälfte der armen Teufel ohnehin ins Gras gebissen. Dann kann jeder ein Gewehr für sich allein haben.«
Trixie genoss die bürokratische Seite der Revolution, und nach einigen Stunden war aus dem Haufen von aufgedrehten und undisziplinierten Freiwilligen so etwas Ähnliches wie eine Armee geworden. Doch sie hätte sich niemals träumen lassen, wie schnell sich die Nachricht von ihrer eigenen Rolle in der Schlacht an der Oberbaum-Brücke verbreitet hatte. Immer wieder kamen Freiwillige auf sie zu, bedankten sich dafür, was sie für die Bewohner Warschaus getan hatte, wollten ihr unbedingt die Hand schütteln, fragten, ob sie ein Regiment bekommen und sie die Ehre haben dürften, unter ihr zu dienen …
Das konnte einem schon zu Kopfe steigen, und wäre nicht die Anwesenheit des stoischen Feldwebels Wysochi gewesen, der neben ihr stand, hätte es sie in Verlegenheit gebracht. Wysochi aber unterstützte die Heldenverehrung. »Für Soldaten ist es wichtig, einen Helden zu haben, Miss Dashwood. Sie sehen, wie Sie, ein einfaches Mädchen, kein erfahrener Soldat, die besten Truppen des ForthRight schlägt, und schöpfen Hoffnung.«
»Was für eine Hoffnung, Feldwebel?«
»Dass das Ganze vielleicht doch nicht so sinnlos ist und so schrecklich blutig enden wird, wie ich glaube.«
»Es ist Mittag, Feldwebel Wysochi«, erklärte Trixie gelassen. »Ich glaube, dass es Zeit wird, den Major zu befreien. Wir haben eine ganze Armee zur Verfügung und sollten dafür sorgen, dass die vermaledeiten Delegierten keine Dummheiten machen.«
Wysochi brauchte eine Weile, bis er die Freiwilligen dazu gebracht hatte, sich in Reih und Glied aufzustellen, doch schließlich, nach einer Stunde schreien, fluchen, schubsen und treten war er endlich zufrieden. Als Trixie mit lauter Stimme den Befehl »Vorwärts, Marsch« ausgab, setzte sich der bunt gemischte Haufen in Bewegung. Der Aufstand hatte begonnen.
Es war ein überwältigendes Gefühl für Trixie, an der Spitze ihrer Armee von Amateuren durch die Straßen Warschaus zu marschieren.
Ihrer Armee. Lächerlich.
Noch vor wenigen Tagen war sie ein siebzehnjähriges Schulmädchen gewesen, und heute befehligte sie eine Armee von Revolutionären. Befehligte. Das war ein Wort, bei dem sie stockte. Seit sie das Kommando über das Dampfschiff übernommen hatte, stellte niemand mehr ihre Autorität in Frage, niemand hatte sich geweigert, von einer Frau Befehle entgegenzunehmen. Sie hatte das Kommando einfach an sich gerissen, und keiner hatte ihr das Recht dazu abgesprochen. Gewiss, sie hatte den Achtung gebietenden Wysochi auf ihrer Seite, trotzdem wunderte es sie, dass Frauen und Männer ihren Anweisungen so widerspruchslos folgten. Hatte sie etwa ein Talent für den Krieg? Immerhin fand sie es großartig, Menschen zu führen, Befehle zu erteilen, und Verantwortung zu übernehmen.
Und jetzt entdeckte sie, wie großartig es war, Huldigungen entgegenzunehmen.
Es war ein schöner sonniger Wintertag, als sie durch Warschau
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