Die Mission
benebelt. Heute Nacht würde er ihnen keine Hilfe sein.
»Ich gehe. Soll sich der Major ausruhen«, sagte sie, und bevor Wysochi etwas einwenden konnte, war sie bereits zum Haus des Werftleiters unterwegs, etwa hundert Meter von der Stelle am Kai entfernt, wo sie das Dampfschiff angedockt hatten. Das Haus lag im Dunkeln, doch als Trixie mit dem Griff ihrer Pistole an die Tür hämmerte, flammte ein Licht auf.
Als Kowal endlich aufmachte, schien er nicht sonderlich beeindruckt zu sein von der rußgeschwärzten Erscheinung, die seinen Schlaf störte. Nur mit einem Nachthemd bekleidet hob er seine Laterne, um Trixie zu mustern.
»Wer zum Teufel sind Sie?«
»Ich bin …«
Dann verstummte sie und überlegte, wer sie wirklich war.
»… Leutnant Dashwood von der Freien Armee Warschaus. Wir haben zwei Kähne aus dem ForthRight entführt und brauchen jeden verfügbaren Dockarbeiter und Kranführer, den sie auftreiben können, um die Schiffe zu entladen, die jetzt am Kai Nummer zwei liegen.«
»Hauen Sie ab!«, fauchte der Mann und wollte gerade die Tür wieder zuknallen, als Trixie mit dem Fuß dazwischenging. Sie musste wohl etwas entschiedener auftreten.
»Es ist sehr wichtig, dass …«
»Hauen Sie ab, habe ich gesagt, und genauso ist es gemeint. Ich bin Gildemeister der Reederei, und als solcher muss ich Ihnen sagen, dass es sich bei der Entführung dieser Kähne um Piraterie handelt, da wir uns mit dem ForthRigth nicht im Krieg befinden. Ich werde nicht zulassen, dass meine Arbeiter hohe Gefängnisstrafen oder gar ihr Leben riskieren.«
Das Klicken einer Mauser unterbrach ihn. Trixie hielt ihm die Waffe an die Schläfe. »Entweder Sie tun, was ich sage, oder ich blase Ihnen das Hirn aus dem Schädel.«
Kowal sah Trixie an, überlegte, wie ernst sie es wohl meinen könnte, und nickte schließlich.
Eine Stunde nach Sonnenaufgang hatten sie zehntausend Martini-Henry-Gewehre und fünf Millionen Schuss gelöscht und in ein sicheres Lagerhaus transportiert. Erschöpft und niedergeschlagen hockten sich die Männer auf den Boden und nahmen dankbar die Flaschen Lösung entgegen, die verteilt wurden.
Trixie saß auf einer Munitionskiste, versuchte so gut es ging, den Schmerz in der Schulter und das Pochen im Ohr zu ignorieren, und kämpfte verzweifelt gegen den Schlaf an. Nie zuvor war sie so erschöpft, so vollkommen ausgelaugt gewesen. Einen Augenblick lang fielen ihr die Augen zu, und als sie sie wieder aufschlug, stand der wuchtige Wysochi vor ihr und streckte ihr die Hand entgegen.
»Es wäre eine große Ehre für mich, wenn Sie mir die Hand geben würden, Miss Dashwood. Im Namen meines Vorgesetzten, meiner Männer und des polnischen Volkes möchte ich mich bei Ihnen für alles bedanken, was Sie heute Nacht für uns getan haben. Sie sind der tapferste Mensch, unter dem ich jemals gedient habe. Würde Ihr Vater noch leben und hätte das gesehen, wäre er mächtig stolz auf Sie gewesen.«
Trixie schüttelte ihm die Hand. Es war der bewegendste Augenblick ihres Lebens.
27
Demi-Monde:
56. bis 58. Tag im Winter des Jahres 1004
Die Grundsätze der Eugenik können nicht nur zur Lösung rassischer Probleme herangezogen werden, sie erklären auch, warum manche Stadtstaaten in der Demi-Monde erfolgreicher sind als andere. Diese Art der makroEugenik heißt »Politische Eugenik« (Reinhard Heydrich: Rasse, Eugenik und das Überleben der stärksten Stadtstaaten, Parteigesetz-Veröffentlichungen). In Anlehnung an die Theorie von Jean-Baptiste Lamarck aus dem Quartier Chaud – alle Organismen streben nach Vollkommenheit, und dieser Kampf wird durch die Konkurrenz innerhalb des Bio-Systems stimuliert – sowie durch deren Übertragung auf die Politik ist der Führer zu dem Schluss gelangt, dass der Erfolg des ForthRight der Beweis für den Grundsatz des Überlebens der Stärksten ist. Zusammenfassend ist die Demi-Monde ein Schlachtfeld, auf dem die Rassen um Überlegenheit kämpfen, und das ForthRight, also das Arische Volk, hat sich dabei als das überlegene erwiesen.
– Seine Heiligkeit, Aleister Crowley, Minister für Übersinnliche Angelegenheiten, Die Prinzipien des UnFunDaMentalismus.
Trixie konnte nicht einschlafen; sie war zu aufgeregt. Es war zu viel passiert, und es würde noch viel mehr passieren. Sie schwelgte in der Erregung der Revolution, und in ihrem Kopf wirbelte es nur so von Plänen und Möglichkeiten. Immerhin war sie nach der vergangenen Nacht eine echte Revolutionärin.
Heydrich zufolge waren
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