Die Mission
Horrorfilms, und die Schauspieler waren nicht minder furchterregend. Soweit sie erkennen konnte, befanden sich dreizehn Personen in der Höhle. Mit Ausnahme von Crowley trugen alle violette Gewänder und verbargen ihre Gesichter hinter abscheulichen Masken von Fabeltieren. Zumindest hoffte sie, dass es Fabeltiere waren: Bei den Bestien, die Terror Incognita bewohnten, sollte es sich um schreckliche Geschöpfe handeln.
Crowley trat einen Schritt vor, sodass Norma ihn besser sehen konnte. Anders als seine Adepten war der Magier unmaskiert und trug ein wallendes, dunkelrotes Gewand, das mit Gold und unzähligen Runen bestickt war. Ein breites goldenes Stirnband mit einem roten funkelnden Rubin in der Mitte schmückte den Kopf.
»Wo bin ich?«, fragte Norma und versuchte verzweifelt, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.
»In ExterSteine, dem magischsten Ort in der Demi-Monde. ExterSteine besteht aus fünf ManteLit-Säulen, die vor der Zeit der Knechtschaft errichtet wurden, als die Demi-Monde noch jung war. Im Augenblick befinden wir uns oben in Liliths Turm, der höchsten Säule. Diese Höhle hat das UrVolk gebaut. Ungefähr hier, so lehrt uns die Mythologie, hat Lilith ihre widerwärtige Magie ausgeübt. Aber das ist sehr lange her. Sie stehen am heiligsten Ort des UnFunDaMentalismus.«
»Warum haben Sie mich hierherbringen lassen?«, fragte Norma, obwohl sie sich das denken konnte. Aber besser, sie erfuhr es aus erster Hand.
»An jedem Vorabend eines neuen Quartals versammle ich den engsten Zirkel meiner Jünger hier, um den Geistern für den Wechsel der Jahreszeiten zu danken. Im Kalender des UnFunDaMentalismus ist dieser Abend der wichtigste, an ihm feiern wir den Übergang unserer Welt von der unwirtlichen Kälte des Winters in die üppige Fruchtbarkeit des Frühlings.« Er zeigte auf ein verschlossenes Loch ganz oben in der Höhle. »Morgen werden die Sonnenstrahlen durch diese Öffnung fallen, um den Tod des Winters und die Geburt des Frühlings zu verkünden.«
Der Kerl ist ja völlig plemplem.
Crowley ging in der Höhle auf und ab und dozierte vor sich hin. »Aber heute Nacht tun wir mehr, als nur den Frühling willkommen zu heißen. Heute dehnen wir die Grenzen der Magie aus. Heute Nacht vollziehen wir das Ritual der Übertragung. Noch niemals wurde ein solcher Versuch unternommen. Lady Aaliz Heydrich wird in der Demi-Monde Ihren Körper in Besitz nehmen, und zum ersten Mal wird sich ein Bewohner der Demi-Monde in der Realen Welt in Fleisch und Blut manifestieren, nicht nur im Geiste. Heute tun wir im ForthRight den ersten Schritt auf dem langen Weg, der schließlich zur Einheit der beiden Welten und zum Sieg des UnFunDaMentalismus im ganzen Kosmos führen wird.«
Was für ein Vollspinner!
»Hm, da passe ich lieber, wenn Sie gestatten.«
Crowley lachte in sich hinein. »Ich fürchte, das ist nicht möglich. Sie spielen eine tragende Rolle in dem kleinen Drama, das wir hier aufführen wollen. Ihre Mitarbeit ist unverzichtbar.«
»Sie können mich mal! Ich werde den Teufel tun und zulassen, dass ein Dreckskerl wie Sie meinen Körper stiehlt.«
Crowley kam auf sie zu. »Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie nehmen an dem Übertragungsritus teil, oder Sie werden aus dem Verkehr gezogen. Sollten Sie sich weigern, werde ich dafür sorgen, dass Sie eines langsamen und qualvollen Todes sterben.« Seine Lippen waren so nah an Normas Ohr, dass sie seinen süßlichen Atem auf ihrer Wange spürte. »Ich werde Sie zur Ader lassen, Tropfen für Tropfen. Haben Sie verstanden?«
Norma sah aus dem Augenwinkel, wie der Hexenjäger sich mit der Zunge über die fleischigen Lippen fuhr.
Und ob ich verstanden habe, du Arschloch, und ich weiß auch, wer sich dafür freiwillig melden wird.
Norma nickte widerwillig. Alles war besser, als diesem Dreckstück ihren Körper zu überlassen.
Mit einem triumphierenden, selbstgefälligen Lächeln gab Crowley einem seiner Jünger ein Zeichen. »Führen Sie Lady Aaliz herein.«
Kurz darauf erschien Aaliz. Sie sah ganz anders aus als das brave Right-Nix-Mädchen, dem Norma auf Dashwood Manor begegnet war. Ihr blondes Haar war pechschwarz gefärbt. Die Ohren waren rundum gepierct und mit den Steckern geschmückt, die man ihr – Norma – abgenommen hatte. Auf der Schulter befand sich jetzt die Tätowierung eines keltischen Kreuzes, das dem von Norma bis ins kleinste Detail glich.
Aaliz Heydrich war nun Norma Williams. Und plötzlich wurde Norma klar, dass sie mit
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