Die Mission
machte einen gepflegten Eindruck. Trotz des streng geschnittenen Hosenanzugs wirkte sie dank des wundervollen blonden Haars, das ihr bis zu den Hüften reichte, sehr weiblich.
»Ich bin Lady Lucrezia Borgia«, verkündete sie in einem derart kultivierten Ton, dass es fast schon hochmütig klang. »Stellvertreterin Ihrer Hoheit Wu, Kaiserin aller Länder, die als Demi-Monde bekannt sind.«
Noch eine Größenwahnsinnige.
Trixie machte ein ausdrucksloses Gesicht und salutierte. »Major Trixibell Dashwood, Kommandant der Freien Armee Warschaus.«
»Kaiserin Wu verneigt sich vor so einem tapferen Soldaten und bietet Ihnen und Ihren Truppen Asyl.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, Madame Stellvertreterin.«
»Wo ist diese Jungfrau IMmanual?«, fragte die junge Frau, die neben Lady Borgia stand. Anders als die Stellvertreterin klang sie, die einen Kampfanzug trug und ein Repetiergewehr schulterte, ungeduldig und gereizt. Trixie erkannte sie sofort an dem kurzen braunen Haar, den leuchtenden Augen, die beim Sprechen zu blitzen und zu funkeln schienen, und an Lokis Zeichen, dem langen hölzernen Kreuz an ihrem Hals. Es war die berühmt-berüchtigte Jeanne Dark, die Anführerin der Suff-Ra-Getten, Geißel des HimPerialismus, Todfeindin des UnFunDaMentalismus und Hexenmeisterin des HerEtikalismus.
Noch vor wenigen Wochen hätte Trixie das Valknut-Zeichen gemacht, um das Übel abzuwehren, das Jeanne Dark für die natürliche Ordnung des UnFunDaMentalismus darstellte, doch die Zeiten waren vorbei. Jetzt sah sie in ihr nur eine Rivalin, und vor Rivalinnen hatte man keine Angst. Rivalinnen waren da, um eliminiert zu werden.
»Ich habe Sie etwas gefragt.«
Jeanne Darks scharfe Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Niemand, aber auch niemand würde so mit ihr sprechen.
»Sprechen Sie mich gefälligst mit meinem Rang an. Major Dashwood.«
»Wie Sie wollen, Major Dashwood, wo also steckt diese Jungfrau IM manual?«
»Jungfrau IM manual? Wir haben sie verloren. Wahrscheinlich ist sie von einem Mann namens Vanka Maykow dazu überredet worden, sich der SS zu stellen.«
»Mist!«, fluchte die junge Frau. »Das allerdings war ein fahrlässiger und kostspieliger Fehler, Major Dashwood.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging zum Ende der Brücke zurück. Lady Borgia sah ihr nach, und ihr Gesichtsausdruck verriet, dass die beiden Frauen sich nicht besonders grün waren.
»Sie müssen meiner Kollegin, Hochwürden Dark, verzeihen«, entschuldigte sie sich »Manchmal geht ihr Temperament mit ihr durch.« Sie lächelte diplomatisch. »Wir haben Vorkehrungen für Ihre Kämpfer getroffen, sie werden in einer nahegelegenen Kaserne untergebracht, und während sie sich dort einrichten, gewährt Ihnen Kaiserin Wu eine Audienz.«
»Jetzt sofort?« Trixie warf einen Blick auf ihren schmutzigen und zerlumpten Kampfanzug. »Ich bräuchte ein paar Minuten, um …«
»Kaiserin Wu besteht darauf, Sie umgehend zu treffen. Sie weiß, dass Sie Soldat sind, und wird gern über Ihr Äußeres hinwegsehen. Die Anwesenheit Ihrer Truppen in Coven hat tiefgreifende politische Auswirkungen, über die so schnell wie möglich entschieden werden muss.«
Trixie nickte. Heydrich musste vor Wut kochen, dass Coven der FAW Asyl gewährte. »Leutnant Wysochi soll mich begleiten.«
Wysochi grinste ob seiner plötzlichen Beförderung, doch Trixie wusste, dass man die Stirn runzeln würden, wenn sie einen einfachen Hauptmann zu ihrem Stellvertreter ernannte.
»Ihr bevorzugtes Männchen?«
»Wie bitte?«
Lady Borgia lächelte herablassend. »So nennen wir in Coven die Männer, die eine Femme zu ihrem ständigen Begleiter erklärt und von dem sie sich gewisse körperliche Annehmlichkeiten besorgen lässt.«
Sie sah Wysochi an, dessen Grinsen immer breiter wurde. »Ja, Leutnant Wysochi ist mein bevorzugtes Männchen, wenn Sie so wollen.«
»Na schön. Aber Ihr bevorzugtes Männchen Wysochi sollte wissen, dass er stets hinter Ihnen gehen und sich nie von sich aus an eine Femme wenden darf, es sei denn, er wird angesprochen.«
Damit drehte sich Lady Borgia um und führte Trixie und Wysochi von der Brücke weg.
Während die Nacht verging, spürte Norma, wie die Luft im Tempel immer schwerer und zäh wie Sirup wurde. Die Geräusche klangen gedämpft, als kämen sie von sehr weit her. Sie war wie losgelöst, nicht nur von der Musik, sondern auch von der Realität. Mit jedem Augenblick wurde ihre Welt kleiner. Es kam ihr vor, als versänke sie in sich
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