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Die Mission

Die Mission

Titel: Die Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rod Rees
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hatte.
    Da ihm klar war, dass seine finanzielle Situation mindestens so angespannt war wie das bisschen Stoff um die Brust des Mädchens, beschloss Vanka, so nett wie möglich zu sein, und streckte ihm die Hand entgegen. »Freut mich, Sie kennen zu lernen. Oberst Iwanowitsch Maykow, staatlich anerkanntes Medium, meine Freunde nennen mich Vanka.«
    Sie machte große Augen. »Medium? Wie die Hellseher und ähnliche Leute, über die alle sich den Mund zerreißen? Was bin ich froh, Sie zu treffen, Wanker, ich heiß übrigens Sporting.«
    Ein schreckliches Gefühl der Ausweglosigkeit bemächtigte sich Vanka. »Ihr Nachname ist doch nicht zufällig … Chance, oder?«
    Das Mädchen riss staunend die trüben Augen auf. »Teufel nochmal! Woher wissen’Se das? Doch, doch, das bin ich. Sporting Chance. Sie sind mir ja ’n ganz schlaues Medium, Wanker!«
    Vanka brachte nur ein fatalistisches Lächeln zustande.
    Auch Burlesque rang sich ein Grinsen ab. Doch das war ein Fehler, denn Burlesques Gesicht taugte nicht zum Grinsen. Bei der Anstrengung verzerrte es sich auf seltsamste Art, bis es so aussah, als würde sich seine Kartoffelnase verbiegen und als wollten die Schweinsäuglein in den runden Pausbacken versinken. Bislang hätte Vanka Burlesques Äußeres bestenfalls als »hässlich« bezeichnet, doch jetzt, bei näherer Betrachtung, war er geneigt, »widerwärtig« daraus zu machen.
    Am beunruhigendsten fand er, wie Burlesque die schmalen, strengen Lippen zurückzog und seine drei letzten Zähne bleckte, Preis für seinen Erfolg im Unterhaltungsgeschäft. In dieser Branche herrschte große Konkurrenz, die sich zuweilen auf durchaus körperliche Weise ausdrückte.
    »Wolln’Se was trinken, Wanker?«, fragte Burlesque und schmatzte in Vorfreude auf einen weiteren Drink.
    Vanka warf Burlesque einen misstrauischen Blick zu. Wenn Burlesque einen ausgab, konnte das nur bedeuteten, dass er etwas wollte. Burlesque gab so gut wie nie einen aus. Er hatte den Ruf, die kürzesten Arme und die tiefsten Taschen aller Bewohner in den Rookeries zu haben.
    »Ja, ich nehme einen doppelten B-&-T.«
    Burlesque warf ihm einen stirnrunzelnden Blick zu und gab dem zwielichtigen Kellner schließlich widerwillig ein Zeichen. Nachdem der den Blood Tonic gebracht hatte, beugte Burlesque sich verschwörerisch zu ihm hinüber. Vanka wünschte, er würde es nicht tun. Der Gestank, der aus seinen Achselhöhlen stieg, war kaum auszuhalten.
    »Und, Wanker? Treiben’Se immer noch Ihre übersinnlichen Späßchen?«, fragte Burlesque lässig.
    »Schon möglich«, entgegnete Vanka zurückhaltend. Er war zwar ein approbiertes Medium, hatte diesen Titel aber auf recht unkonventionelle Art erworben. Da er den wichtigtuerischen Beamten im Ministerium für Übersinnliche Angelegenheiten nicht zumuten wollte, ihre kostbare Zeit damit zu verschwenden, ihm auf den Zahn zu fühlen, hatte er seine Approbation direkt mit dem Chef der Prüfungsstelle ausgehandelt. Dass er im Besitz einer Reihe von Daguerreotypien war, auf denen besagter Chef mit einer Person zu sehen war, die nicht seine Frau war, hatte die Verhandlungen gewiss erleichtert, vor allem die Tatsache, dass die fragliche Person nicht derselben Spezies angehörte wie seine Frau.
    «Na ja, wenn ’s so is, hätt ich vielleicht ’nen Job für Sie.«
    Vanka unterdrückte ein Schaudern. Bei der Vorstellung, für Burlesque Bandstand zu arbeiten, klapperten ihm die Zähne … jedenfalls die paar, die er noch hatte. Burlesque war in Vankas Augen der größte Wichser in der ganzen Demi-Monde. Und da Burlesque in den Slums von Whitechapel lebte und arbeitete, war die Konkurrenz um diesen Titel gewaltig. Burlesque war möglicherweise der größte Unternehmer in den Rookeries, der im Blut-, Mord- und Kneipengeschäft mitmischte, aber trotzdem ein widerwärtiger Mensch … ein Unmensch.
    Doch da Vanka sich auf der Flucht befand und in vier Wochen so gut wie mittellos wäre, beschloss er, seine Aversion und auch seine olfaktorischen Vorurteile gegen eklige, wasserscheue Typen wie Burlesque beiseitezuschieben. Vorzugsweise gegen den Wind.
    »Und wie sähe dieser Job aus?«
    »Ich will aussem Prancing Pig ’n vornehmes Lokal machen, Wanker«, erklärte Burlesque ohne eine Spur von Ironie in seiner Stimme.
    Einen Moment lang verschlug es Vanka die Sprache. Die Assoziation zwischen den Wörtern » Pig « und »vornehm« war bestenfalls lachhaft und schlimmstenfalls beunruhigend, denn sie implizierte die Möglichkeit, dass

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