Die Mission
Gesprächsthemen um Rat gefragt. Er hatte ihr sein typisch herablassendes Lächeln geschenkt, das sie jedes Mal auf die Palme brachte, und geantwortet, dass er sie einfach fragen ließ. Offensichtlich hatte sie einen unersättlichen Hunger nach Informationen über die Demi-Monde.
»Aber hilft uns das, sie besser zu verstehen?«, hatte Trixie gefragt.
»O ja, gewiss, wenn auch nur indirekt«, hatte der Hauptmann geantwortet. »Durch die Fragen, die sie mir stellt, erfahren wir, was sie interessiert und auch, was sie über die Demi-Monde weiß. Und ihre Fragen haben durchweg damit zu tun, wie die Demi-Monde funktioniert …«
Vielleicht sind ja alle Dämonen RaTionalisten?, hatte sich Trixie insgeheim gefragt. Doch da RaTionalisten die Existenz einer spirituellen Welt bestritten, aus der Dämonen wie dieser angeblich kamen, war das wohl ein Widerspruch in sich.
»… und welche Rolle die Frauen im ForthRight spielen.«
Das zumindest dürfte Stoff für ein Gespräch bilden, dachte Trixie, allerdings ein kurzes. Frauen spielten im ForthRight so gut wie keine Rolle.
»Und was haben Sie aus all den Fragen bislang schließen können, Hauptmann?«
»Dass die Dämonin nicht begreifen kann, warum wir hier im ForthRight gern in einem ›totalitären Regime‹ leben, wie sie es nennt, und dass sie empört ist, weil man die Frauen derart ›entrechtet‹ hat.«
Obwohl es keinesfalls klug war, es offen zuzugeben, wusste Trixie, was das Wort »Entrechtung« bedeutete. Die Entrechtung der Frauen zu beseitigen war die Losung – eine etwas lang geratene, wie Trixie fand – der Suff-Ra-Getten. Trotzdem dankte sie dem Hauptmann, als er ihr den Begriff erklärte. In Gesellschaft von »Nichteingeweihten« musste sie schließlich die Rolle einer pflichtbewussten und politisch korrekten jungen Frau spielen. An den RaTionalismus zu glauben war für eine Frau des ForthRight nicht ganz ungefährlich.
Dem Hauptmann zufolge war die Dämonin der Meinung, dass Männer und Frauen gemeinsam über das Schicksal des ForthRight entscheiden und ihr Führer von der gesamten erwachsenen Bevölkerung beider Sektoren gewählt werden sollte. Das nannte sie Demokratie.
Trixie hielt das für eine alberne Vorstellung. Nirgendwo in der Demi-Monde (vielleicht mit Ausnahme vom Gebiet der nuJus, und jeder wusste, dass die nuJus von Natur aus pervers waren) hatte man das Konzept in Frage gestellt, dass die Sektoren von einem Führer regiert werden sollten, der sich kraft seines Genies und seiner Energie durch politische Osmose über den Rest der Bevölkerung erhob. Natürlich herrschte im ForthRight und in NoirVille die etwas primitivere Überzeugung, dass ihre Führer irgendwie von ABBA bestimmt wurden, doch das Konzept war das gleiche, ebenso die Überzeugung, dass der Erfolg und das Wohl der Bürger eines Sektors allein auf den Schultern des Mannes ruhten, der sie anführte.
Trixie hatte den Kopf geschüttelt. »Aber dann könnte in dieser Demokratie jeder an die Macht kommen und Führer werden … auch Menschen, die gar nicht dazu befähigt sind, andere zu lenken. Die Demokratie würde nur dazu führen, dass ein Sektor von einer Person geführt wird, die dieser Aufgabe gar nicht gewachsen wäre. Hat nicht Kamerad Führer Heydrich einmal gesagt, dass große Männer in der Demi-Monde rar gesät sind? Die wird das gemeine Volk bestimmt nicht durch planlose Wahlen ausfindig machen können.«
»Oh, da stimme ich Ihnen voll und ganz zu, Lady Trixiebell, diese Vorstellung ist einfach absurd«, nickte der Hauptmann, »aber allein die Tatsache, dass die Dämonin so etwas wissen will, gibt uns wichtige Hinweise darauf, wie es in der Spirituellen Welt zugeht.«
Diese Unterhaltung mit dem Hauptmann hatte gestern stattgefunden, und fleißig wie sie nun mal war, hatte Trixie alles in ihr Büchlein eingetragen.
Nach zehn Minuten kamen die Dämonin und der Hauptmann wieder auf das Haus zu. Das Zeichen dafür, dass sie sich sputen musste. Gleich würde das Frühstück serviert, und ihr Vater war ein Pünktlichkeitsfanatiker. Außerdem war das Frühstück zu einer lustigen Angelegenheit geworden, seit die Dämonin zu Gast bei ihnen war. Lustig, ja, aber doch auch ganz schön anstrengend. Es war etwas anderes, sich am Frühstückstisch mit ihrem Vater über bestimmte Ereignisse zu unterhalten, als dasselbe vor einem Checkya-Offizier wie Dabrowski zu tun.
Als Trixie in den Frühstückssaal platzte, saß ihr Vater bereits am Tisch. Er grunzte »guten Morgen« als
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