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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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nicht.«
    » Glauben, wissen, meinen ... ich bin verunsichert. Und traurig, verstehst du?«
    » Es besteht kein Grund zur Traurigkeit.«
    » Anfangs konnten wir nicht genug voneinander kriegen und nun ... nun scheint es so, als wenn du dich wieder zu Marita ziehst. Vielleicht schämst du dich doch für mich und hast erkannt, dass dein Heteroanteil stärker ist als ...«
    » Hör auf, dir diesen Unsinn einzubilden. Mein Gefühl zu dir hat sich nicht geändert.«
    » Und warum hat es dann den Anschein?«
    » Weil wir seltener Sex haben?«
    » Ja, genau.«
    » Du bist ein intelligenter Mann und du solltest eine Beziehung nicht so oberflächlich sehen oder auf Sex reduzieren.«
    » Das habe ich nicht vor.«
    » Dann lass diesen Unsinn. Ich liebe dich nach wie vor und bin froh, mit dir zusammen zu sein. Alles Weitere wird sich finden.«
    » Was ist los mit dir?«
    » Warum?«
    » Du wirst plötzlich bleich.«
    » Das gibt sich wieder.«
    » Mike, was hast du?«
    » Ich komme gleich wieder. Muss mal auf die Toilette. Ich glaube, ich muss kotzen.«
    » Wegen mir? Habe ich dir zugesetzt?«
    » Magen verdorben, glaube ich. Warte auf mich. Oder besser, du machst mir einen Kamillentee, ja? Oh, Mann, mir ist übel.«
     
     
    Arndt arbeitet wie ein Besessener, liest fast jedes eingereichte Manuskript, streitet sich mit egomanischen Autoren über Satzfragmente, besucht Autorenpartys, redigiert grauenvoll geschriebene Texte und kämpft in den Lektorenkonferenzen für die wenigen Autoren, die er für gut genug hält, um sie zu veröffentlichen. Es werden Gutachten geschrieben und präsentiert und nicht immer gewinnen jene Autoren, die es verdient hätten, sondern auch die Autoren, mit denen sich ein Lektor besonders gut versteht, oder bei Schriftstellerinnen auch die, die sich nicht scheuen, die Beine zu spreizen. Außerdem gilt es als persönlicher Erfolg, einen Autor ‚durchzubringen’, was durch Intrigen gerne verhindert wird, da jeder Lektor an eben diesen Erfolgen gemessen wird. Jemand, der dreimal hintereinander seinen Autor nicht ‚durchbringt’, sollte sich einen anderen Job suchen. Es ist ein harter Kampf, hinter dem die Qualität eines Textes verblasst.
    Jedermann wartet auf einen Nachfolger von Die unendliche Geschichte oder Herr der Ringe, und viele Manuskripte deutscher Autoren sind lesenswert, doch der Verlag lehnt deutsche Autoren ab. Da kauft man lieber fertige Romane vom US-Markt, zahlt geringe Lizenzen, beutet einen Übersetzer aus, und in null Komma nichts ist das Buch gedruckt.
    Als deutscher Autor hat man derzeit kaum eine Veröffentlichungschance. Deutsche Autoren sind wie ein Paria, dafür wird das meiste, das vom nordamerikanischen Markt kommt, blind gekauft. US-Autoren lernen das Schreiben bereits in der Schule, besuchen Creative-Writing-Kurse und haben die Lehrbücher von Sol Stein schon verinnerlicht, wenn Paulchen Müller beginnt, ihren ersten Romanbeginn zu drechseln. Die jungen Leute auf der anderen Seite des Ozeans lernen ihr Handwerk fast schon nebenbei, was zur Folge hat, dass jeder zweite Roman sich liest wie von Arthur Hailey oder Mr. Wright. Austauschbar, stets die gleichen Dialoge, Literatur von der Stange, konzipiert wie Kinofilme. Ausnahmen sind Männer wie John Irving, dessen Garp ... ein Meisterwerk ist, dessen Vorbild jedoch auch nicht Mr. Wright ist, sondern Charles Dickens.
    Oder Charles Bukowski, dessen harte direkte Sprache auch die schmuddeligen Aspekte des Lebens nicht ausspart und Arndt trotz des blatternarbigen Machismo zutiefst berührt. Da finden sich exzellente Dialoge, auf höchstem Niveau geschrieben, mit der Drastik eines Arthur Miller.
    Ausnahmen, wie gesagt.
    Doch es gibt vermehrt deutsche Autoren, die so etwas können und endlich erkannt haben, dass man nicht in träger Goethe’scher oder Mann’scher Manier schreiben muss. Früher bedeutete Deutsch gleich langweilig. Britisch gleich liebenswert spannend. Amerikanisch gleich groß, ausufernd und abenteuerlich.
    Doch die Zeiten ändern sich.
    Arndt klopft mit den Fingern auf das Manuskript. Schon einmal lag es auf seinem Schreibtisch. Die Tränen der Anderen von Thomas Wille.
    Als Mike in Arndts Leben trat, kehrte auch Thomas Wille zurück, zuerst im Fernsehen, dann in Gesprächen, und mit ihm das in der U-Bahn-Station verlorene Manuskript. Arndt hatte lange überlegt, diesen Wille anzuschreiben und um eine neue Version zu bitten, aber die alte Schule des Lektors verwehrte sich dagegen. So etwas kam einem

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