Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
Vom Netzwerk:
glaubst du wohl, was wir uns von meinem Schwager, dem Port Admiral, anhören müssen wegen des Skandals, den du uns aufgehängt hast? Damit du es weißt: Zu dem bösen Spiel, das meine Mutter trieb, machte auch niemand gute Miene, und ich habe Jahre gebraucht, um mich aus diesem Sumpf herauszurackern. Das werde ich mir von dir und deiner Hure nicht kaputt machen lassen, und meiner Frau werde ich nicht den Mund verbieten, wenn sie sich darüber empört.«
    »Mildred ist keine Hure«, sagte Hyperion ruhig. »Warum wird für das, was ein Mann ihr antut, immer die Frau bestraft? Dass ich meine Familie verloren habe, habe ich mir selbst zuzuschreiben, und dass ich jetzt mein Haus verliere, ebenfalls. Mildred trifft keine Schuld. Sie tut, was sie kann, um den Kindern ein Heim zu geben.«
    »Das ihnen nicht mehr lange bleiben wird!«, höhnte Hector. Die Ruhe seines Bruders brachte ihn so außer sich, dass er wie als Junge mit den Fäusten auf ihn hätte losgehen mögen.
    »Nein, es wird ihnen nicht mehr lange bleiben«, sagte Hyperion. »Glücklicherweise ist für die Mitgift der Mädchen gesorgt. Kannst du mich jetzt bitte entschuldigen, Hector? Du hast gesehen, was am Empfang los ist. Wir haben zu wenig Leute, wir können niemanden entbehren.«
    »Du willst dorthin zurück?« Hector starrte seinem Bruder in das vollkommen geschnittene Gesicht. »Du weißt, dass du in ein paar Tagen dein Haus verlierst, und dir fällt nichts Besseres ein, als zurückzugehen und noch mehr Säufer und Tagediebe aufzuschlitzen, ohne einen Penny zu verdienen?«
    »Nein«, sagte Hyperion und wandte sich zum Gehen. »Mir fällt nichts Besseres ein. Auf Wiedersehen, Hector.«
    »In vier Wochen will ich mein Geld«, schrie er und hasste sich, weil er es war, nicht sein Bruder, der sich hinreißen ließ.
    »Du hast mein Versprechen«, sagte Hyperion und ging mit gesenktem Kopf zurück in das Gebäude.
    Hector stand wie gebannt und starrte ihm nach. In seinem Rücken hörte er ein paar Frauen kichern. Er hätte sich umdrehen und einer von ihnen die Luft abdrücken mögen.

    Mildred hatte ihn nicht erwartet. Selbst wenn sie ihm eine Nachricht sandte und ihn nach Hause beorderte, wagte sie nicht mehr damit zu rechnen, dass er kam. Sie hatte die Last des Alltags zu tragen, die plärrenden Kinder zu versorgen, die Rechnungen zu begleichen und der feindlichen Welt ihr Gesicht entgegenzuhalten, ohne auf Lohn zu hoffen, ein lobendes Wort oder auch nur ein Lächeln, geschweige denn eine Geste. Sie hatte einen Mann geliebt und ihn in den Armen gehalten, sie hatte diesem Mann ein Kind geboren und war nicht älter als fünfundzwanzig, doch an den Abenden, die sie allein in der Bibliothek verbrachte und auf die endlosen Reihen der Buchrücken starrte, ohne etwas zu lesen, kam sie sich vor wie eine alte Frau, weggeworfen, allein, von niemandem geliebt.
    Auch nicht von den Kindern. Die kleine Esther hatte Angst vor ihr, wie Daphne vor allem und jedem Angst gehabt hatte. Und Georgia war zufrieden, wenn sie etwas Essbares bekam, ganz gleich, wer ihr den Mund damit stopfte. Sie war ein plumpes, grobes Kind, ihrer Mutter aus dem Gesicht geschnitten, ohne eine Spur von der Schönheit des Vaters. An einem Klavier konnte man sie sich unmöglich vorstellen, weit eher Esther, die offenbar schnell lernte. Aber was ihre Tochter nicht bekam, würde Daphnes Tochter auch nicht bekommen. Mildred biss die Zähne zusammen, bis sie knirschten, und ballte die Hände zu Fäusten. Warum ist alles, was ich wollte, dir zugefallen, warum setzt es sich jetzt sogar bei unseren Töchtern fort?
    Als sie hörte, wie die Räder des uralten Phaetons, den das Spital Hyperion zur Verfügung stellte, auf dem Pflaster knirschten, sprang sie auf und rannte in die Halle. Sie verachtete sich, weil sie nicht verbarg, wie bedürftig sie war. Sie würde ihn dafür büßen lassen, aber dass ihr Herz vor Freude hochschlug, konnte sie nicht verhindern. Er hatte einen abgetragenen Anzug an und sein Haar nicht gekämmt. Hätte er nicht Angst vor irgendwelchen Infektionen gehabt, hätte er vermutlich den verdreckten Operationsmantel anbehalten. An den eleganten Mann im Cutaway, der an Daphnes Seite im Portal gestanden hatte, durfte sie nicht denken. »Du siehst jämmerlich aus«, sagte sie, statt ihm guten Abend zu wünschen.
    »Das scheint mir angemessen«, erwiderte er und strebte geradewegs auf die Waschschüssel zu.
    »Statt dir die Haut von den Händen zu schaben, könntest du dich gelegentlich

Weitere Kostenlose Bücher