Die Mondrose
wird, sobald die Operation beendet ist.«
Hector unterdrückte einen Fluch. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich in einen Winkel zu zwängen, in dem ihm die stöhnenden Patienten nicht allzu nahe kamen, und zu warten.
Sein Bruder erschien eine gute halbe Stunde später. Hatte Hector den Mantel des anderen Arztes schmutzig genannt, so fehlte ihm jetzt ein Wort zur Beschreibung. Der Mantel, den Hyperion trug, war vom Saum bis zum Kragen blutverschmiert. Einige Spritzer zierten seine Wangen, und eine Strähne seines schönen Haars war schwärzlich verklebt. »Bitte entschuldige, Hector«, sagte er und hob die Hände, die als Einziges an ihm blitzsauber und wund gewaschen waren.
»Was hast du denn gemacht? Ein Schwein geschlachtet?«
»Eine Schilddrüse entfernt«, antwortete Hyperion. »Wie die Frau mit den Folgen leben kann, bleibt fraglich, aber an dem Knoten so knapp vor der Luftröhre wäre sie erstickt.«
Hector hatte das Gefühl, auch ihm schnüre ein Knoten die Luft ab. »Ich wäre dir dankbar, wenn du Einzelheiten für dich behalten könntest. Ich finde dieses Ambiente nicht eben appetitlich.«
»Das geht den meisten so«, sagte Hyperion. »Gehen wir in den Park? Dort fällt dir das Atmen leichter.«
Das, was er Park nannte, war eine zertrampelte Grünfläche zwischen zwei Gebäuden, auf der Frischverbundene und von Hustenanfällen Geschüttelte umhertaumelten. Immerhin war die Luft nicht mehr so dick, und der Gestank ließ sich ertragen. »Schämst du dich eigentlich manchmal?«, fragte er seinen Bruder. »Für das, was aus dir geworden ist, nach allem, was aus dir hätte werden können?«
»Unablässig«, antwortete Hyperion. »Aber hier weniger als irgendwo sonst.«
»Das begreife, wer will«, brummte Hector. »Ich bin, wie du dir denken kannst, nicht ohne Grund in dein Prinzenschloss gekommen. Um nicht um den heißen Brei herumzureden – es geht um diese Kleinigkeiten hier.« Damit zog er die Schuldscheine aus der Aktenmappe und hielt sie Hyperion hin. »Du erinnerst dich? Ich habe dir geraten, vorbereitet zu sein, wenn ich damit vor deiner Tür erscheine. Ich hoffe, du hast dich an meinen Rat gehalten?«
Hyperion warf einen Blick auf die Scheine und sagte: »Nein, ich habe mich nicht daran gehalten. Wie lange gibst du mir, um dich auszuzahlen?«
Hector hatte vieles erwartet – Betteln, Flehen, Weinen, als wäre Hyperion noch immer der verzärtelte Liebling seiner Mutter, dem die Tränen schossen, sobald jemand ihn ausschimpfte. Nicht erwartet hatte er die völlige Gleichgültigkeit, mit der sein Bruder ihm die Frage stellte.
»Nicht lange«, knurrte er zurück. »Schließlich lebe auch ich nicht von Luft und Liebe, und die meisten dieser Schulden sind Jahre alt.«
»Natürlich.« Hyperion nickte. »Es tut mir leid, Hector. Ich werde mein Haus verkaufen müssen, und das dauert seine Zeit.«
Hector hielt den Atem an. Sein Bruder sprach vom Verkauf des Heiligtums, für das er einst alles gegeben hätte, als ginge es um ein nicht mehr benötigtes Kleidungsstück. »Mount Othrys?«, entfuhr es ihm. »Du willst das Haus deiner Mutter verkaufen?«
»Mir wird nichts anderes übrigbleiben«, erwiderte Hyperion noch immer in völlig unbeteiligtem Ton. »Ich kann nur hoffen, dass der Erlös es mir ermöglicht, Mildred, Nell und die Kinder angemessen unterzubringen. Aber das soll nicht deine Sorge sein. Du hast mich gewarnt, und ich habe nichts daraus gelernt. Die Suppe, die ich mir eingebrockt habe, werde ich selbst auslöffeln müssen.«
»Deine Großmutter löffelt sie mit dir aus«, versuchte Hector ihn zu reizen. »Und das Kind, das deine Frau dir hinterlassen hat, nicht minder.«
»Ja«, sagte Hyperion. »Das tut mir in der Seele weh, und dasselbe gilt für Mildred und Georgia, die keine Menschen zweiter Klasse sind, nur weil ich sie schlecht behandelt habe. Im Übrigen wäre ich dir dankbar, wenn du deine Frau anweisen könntest, Mildred nicht mehr zu beleidigen.«
»Sie soll Mildred nicht beleidigen?« Hector war fassungslos. »Dass du nicht bei Trost bist, war mir ja seit langem klar, aber das geht zu weit. Diese Mildred kann man überhaupt nicht beleidigen. Was immer man sie schimpft, ist noch zu gut für sie. Du hast alles, was du besessen hast, deine Frau, deinen Sohn, deinen Ruf, an diese Mildred verloren und verteidigst sie? Und von mir und Bernice verlangst du, dass wir zu solchem bösen Spiel noch gute Miene machen? O nein, mein Bester, damit hast du dich geschnitten. Was
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