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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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Mildred ausgewählt, weil sie sich George für einen Sohn vorgestellt hatte. Auch bei Georgias Geburt war sie enttäuscht gewesen und hatte sich einsam und verraten gefühlt, doch in ihr war noch Hoffnung gewesen. Vielleicht würde sich Hyperion mit der Zeit an seiner Tochter freuen? Und wo eine gesunde Tochter zur Welt kam, würden Söhne folgen, schließlich war Mildred nicht schwach wie Daphne, sondern steckte Schwangerschaft und Geburt mit Leichtigkeit weg. Diesmal aber wollte sich keine Hoffnung einstellen. An seiner reglosen Miene prallte sie ab wie an seiner verschlossenen Zimmertür. Bitte gib doch dem Kind einen Namen, flehte sie stumm. Zeig mir, dass sie dir nicht völlig gleichgültig ist.
    Ackroyd drehte sich zu ihr und legte ihr das weiße Bündel in die Arme. Es hatte ein rotes, verschwollenes Gesichtchen, wie Georgia es gehabt hatte, aber es war weder so feist noch so grob wie die Ältere, und das bisschen Haar auf dem Köpfchen war tatsächlich heller. »Wie wird sie heißen?«, wiederholte Ackroyd seine Frage.
    Mildred schluckte den Klumpen in der Kehle hinunter und sagte trotzig: »Das soll ihr Vater entscheiden.« Er hat für Louis den Namen ausgesucht, er hat ihn nach irgendeinem verfluchten Wissenschaftler, den er bewundert, benannt, er kann verflucht noch mal auch meiner Tochter einen Namen geben.
    Hyperion zuckte noch einmal mit den Schultern. »Ich fürchte, meiner Familie fehlt für die Namensgebung das Talent.«
    »Finden Sie?«, fragte Ackroyd. »Da bin ich anderer Ansicht. Wenn Sie verzeihen – ich habe immer gedacht, Hyperion sei als Name wundervoll. Gestatten Sie, dass ich einen Vorschlag mache?«
    »Nur zu«, murmelte Hyperion. »Wie Sie sehen, tun wir uns eher schwer.«
    »Phoebe«, sagte Ackroyd.
    Vage bekannt kam Mildred der Name vor, aber sie war sicher, dass sie niemanden kannte, der Phoebe hieß. Es gefiel ihr sofort. Es klang außergewöhnlich, gebildet und elegant. »Was bedeutet das?«, fragte sie den Arzt.
    »Hell und leuchtend«, erwiderte Ackroyd. »Phoebe ist eine Mondgöttin der Titanen. So wie Selene, was ebenfalls trefflich als Name taugt, wenn Sie mich fragen. Hieße ich Hyperion, so würde ich meine Tochter Phoebe oder Selene nennen, denke ich.«
    Und würdest du deine Tochter in der Welt begrüßen, würdest du ihr zumindest einen Blick schenken und dich bei der Frau, die sie dir geboren hat, bedanken? »Mir gefällt Phoebe«, sagte sie fest und drückte Phoebe, auch wenn sie sie nicht länger ansah, an ihre Brust. Du wirst glücklich werden, schwor sie dem winzigen Bündel. Dafür sorge ich. Du bist meine Helle, meine Leuchtende, eine vom Schlag der Titanen nicht weniger als dein Vater. Du wirst Klavier spielen, du wirst einen Hund und ein Pony haben, und auf dich wird in dieser Stadt kein Mensch herabsehen, und wenn ich ihn eigenhändig erwürgen muss.
    »Ich hätte noch zu arbeiten«, begann Hyperion zaghaft, aber Mildred hörte ihm schon nicht mehr zu. Sie wiegte Phoebe in den Armen und begann leise zu singen:
    »Lavendel ist blau, dilly dilly,
    Lavendel ist grün.
    Wenn ich erst König bin, dilly dilly,
    Wirst du meine Königin.«

    Knappe drei Monate später, gerade zu Beginn der Saison, kam im Verwalterhaus von Milton’s Court Charles Ferdinand Ralph zur Welt. Sukie, die Wäsche gefaltet hatte, als die Wehen einsetzten, lief hinüber zu Victor ins Büro und ließ ihn wissen, dass die Geburt bevorstand. Er tat, was er ihr gelobt hatte, als sie ihm gesagt hatte, dass sie sein Kind im Leib trug: »Ich kann dich nicht heiraten, Sukie. Ich kann niemanden heiraten. Aber ich werde für dich und das Kleine da sein, es wird euch an nichts fehlen.«
    Er schloss das Büro ab, folgte ihr ins Haus und wies auf Sukies Bitte hin das Hausmädchen an, für warmes Wasser und Tücher zu sorgen. Alsdann wartete er im Salon all die Stunden, bis das Mädchen ihm die Nachricht brachte, dass ein Sohn geboren war. Daraufhin, kurz bevor die Händler ihre Läden schlossen, zog er los und kaufte Geschenke – einen Korb mit Früchten und Pralinen für die frischgebackene Mutter und für das Kind einen Satz Zinnsoldaten, den man ihm in einem Spielzeuggeschäft als ideales Geschenk für einen Jungen aufschwatzte.
    Sukie lag wach und in Tränen, als er mit seinen Gaben zu ihr kam, der Junge, für den eine Wiege bereitstand, schlief in ihrem Arm. Sie war nie zuvor so froh gewesen, ihn zu sehen. Würde am Ende ein Wunder geschehen, würde er auf seinen schönen, kräftigen Sohn einen Blick

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