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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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Liebchen«, fügte sie rasch hinzu und tätschelte der Tochter die Wange. »Auf deine eigene Art bist du genauso hübsch wie Esther. Sogar hübscher, wenn du mich fragst. Dieser goldblonde Typ kommt nachgerade aus der Mode, weißt du? Heutzutage schauen die Herren nach Mädchen, die mehr Farbe und Charakter zeigen. Du wirst einen Mann bekommen, nach dem andere sich die Finger lecken, das verspreche ich dir, so wahr du meine und deines Vaters Tochter bist.«
    »Aber Horatio sagt …«, begann Phoebe, kam jedoch nicht weiter, weil Mildred ihr ins Wort fiel.
    »Was Horatio Weaver mit seinem dreckigen Mundwerk sagt, wird in diesem Haus nicht wiederholt, hast du verstanden?«
    Der weidwunde Blick, den Phoebe ihr zuwarf, sprach Bände. Mildred stöhnte. Etwas Dümmeres, als dass ausgerechnet Phoebe ihr Herz an den dämonischen Horatio verlor, hätte ihr kaum passieren können. Mildred war nie eine Frau gewesen, die sich ins Bockshorn jagen ließ, aber dieser Kerl mit seinen fast schwarzen Augen trieb ihr Schauder über den Rücken. Höchste Zeit, dass die Saison begann und Phoebe andere Gesellschaft bekam. »Horatio Weaver mag etwas an sich haben, das Frauen blind macht«, sagte sie. »Aber das ist so hohl, wie wenn man eine Schweinsblase aufbläst. Einen wie den nennt man einen Blender, und die Frau, die sich mit einem Blender einlässt, kann genauso gut ins Wasser gehen.« Unter dem grimmigen Blick, mit dem sie ihre Worte untermalte, zog Phoebe den Kopf ein. Dass sie noch etwas sagen wollte, sah Mildred ihr an, doch ein erhobener Finger brachte sie zum Schweigen. »Kein Wort mehr von diesem Taugenichts, oder ich gehe mit dir ins anatomische Museum und zeige dir, wie eine Frau aussieht, der solcher Dreck die Syphilis anhängt.«
    Vor Entsetzen schlang Phoebe die Arme um den Leib. Natürlich sprach man von derlei Dingen nicht mit unschuldigen Mädchen, und das anatomische Museum, in dem die Gräuel ausgestellt sein sollten, war für Frauen verboten, aber dies war eine Notlage, und Notlagen erforderten drastische Mittel. Mildred schickte ihren Worten noch einen scharfen Blick hinterdrein, dann rauschte sie an der Tochter vorbei in ihr Ankleidezimmer. Sie hatte sich einmal geschworen, Phoebe jeden Mann, den sie sich wünschte, zu kaufen, und mit derselben Inbrunst schwor sie sich jetzt: Der Mann, den Phoebe sich wünschte, würde nicht Horatio Weaver sein.

    »Ich muss gehen«, sagte Hyperion und zwang sich, aufzustehen. »Meine Frau erwartet mich. So leid es mir tut, wir müssen heute Abend auf den Ball der Admiralität.«
    Sein Gegenüber lachte. »Vermutlich sind Sie der einzige Mensch in dieser Stadt, dem eine solche Einladung leidtut.«
    »Das mag sein.« Dankbar erwiderte Hyperion das Lachen. »Wenn Sie das nächste Mal hier sind – darf ich Sie wieder zu einem Glas einladen?«
    Leicht hilflos zuckte der andere mit den Schultern. »Ich habe eigentlich keinen Grund mehr, herzukommen«, sagte er. »Um ganz offen zu sein, ich komme nur noch Ihretwegen.«
    »Aber ich bezahle Sie doch nicht«, stammelte Hyperion.
    »Nein«, erwiderte der andere ein wenig traurig, »und ich fürchte, ich kann es mir auch nicht länger leisten. Man wird älter. Auch wenn man selbst der Ansicht ist, man gewinne an Gefühl und Erfahrung dazu – in meiner Branche sind jetzt die Jungen gefragt, die sich auf moderne Methoden verstehen.«
    Hyperion fiel keine Erwiderung ein. Zu sagen, es tue ihm leid, erschien ihm lächerlich. Seit Jahren traf er sich mit Wolfe hier in Sudewede, auch wenn längst keine Hoffnung mehr bestand, dass dieser in seiner Sache noch etwas ausrichten konnte. Es tat ihm gut, die ein, zwei Stunden mit dem Mann zu verbringen und über Daphne zu sprechen. Außer Wolfe gab es niemanden mehr, der mit ihm über Daphne sprach, und Wolfe sah er vermutlich heute zum letzten Mal.
    Der Detektiv lächelte, während er ebenfalls aufstand. »Wenn es Ihnen auf der Zunge liegt, fragen Sie ruhig.«
    »Was soll ich denn fragen?«
    »Ob es Sinn hätte, auch nach Ihrer Frau und Ihrem Sohn mit Hilfe moderner forensischer Methoden suchen zu lassen. Und ob ich nicht einen jungen Kollegen wüsste, der solchen Auftrag übernähme.«
    Hyperion stockte nur kurz, dann schüttelte er den Kopf. »Wenn ich es mir leisten könnte, täte ich vielleicht sogar das«, sagte er. »Auch wenn Sie wahrlich Besseres um mich verdient haben. Aber der Beitrag, den ich zu meinem Haushalt leiste, ist ohnehin lächerlich genug. Es erschiene mir Mildred gegenüber nicht

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