Die Mondrose
gealtert und wirkte übernächtigt, doch noch immer versetzte seine Schönheit ihm einen Stich. »Oh, Mr Weaver«, murmelte März, der sich jetzt March nannte. »Es tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen. Miss Ralph – Sie erinnern sich doch an sie? – Miss Ralph ist nicht gesund. Schon seit Weihnachten nicht.«
Das Letzte, über das Hector sprechen wollte, war die kleine Schlampe, mit der März seit einer Unzeit in wilder Ehe lebte, und das teilte er ihm auch unmissverständlich mit. »Ich bin gekommen, um Ihnen ein Angebot zu machen – eine Gelegenheit, wie man sie nur einmal bekommt. Packen Sie sie beim Schopf oder lassen Sie sie verstreichen, das liegt allein bei Ihnen. Waren Sie schon drüben beim Victoriana, haben Sie das gläserne Elysium gesehen, das dort entsteht? Was meinen Sie, welches Hotel in Portsmouth kann damit in Zukunft mithalten?«
»Mich betrifft das nicht«, erwiderte März. »Wer bei mir logiert, kann sich das Victoriana nicht leisten.«
»Und das soll immer so bleiben, März? Wollen Sie sich bis ans Ende Ihrer Tage krumm schuften, um ein paar Hungerleidern Pennys abzunehmen? Sie sind doch ein Mann mit Ideen, ich habe immer gedacht, Sie machen eines Tages Mount Othrys Konkurrenz. So was wie diese Dachterrasse – das hätte im Grunde von Ihnen kommen müssen.«
»Auf mein Haus passt keine Dachterrasse«, entgegnete März, als wäre er in Gedanken weit fort. »Abgesehen davon habe ich auch nicht die Mittel, mir eine zu bauen.«
»Sie haben recht, auf dieses Haus passt keine. Aber passen Sie denn noch zu diesem Haus? Haben Sie sich nicht allmählich ein anderes verdient?«
»Ich bin zufrieden«, murmelte März, und Hector erkannte, dass er im falschen Augenblick gekommen war, dass die verfluchte Ralph oder wie sie hieß die Gedanken des Deutschen mit Beschlag belegte. Aber das würde nicht lange dauern. Dass es höchstens Gewohnheit und Mitleid, nicht aber Liebe und Leidenschaft waren, die ihn an das Flittchen banden, wusste keiner besser als Hector. Wenn sie starb, würde er sie vergessen und sich erinnern, dass es drüben in Southsea noch immer Mildred Adams gab. Nicht mehr jung, aber von einem Feuer, das die meisten der Jungen niemals kennenlernen würden. Frauen wie Mildred konnten noch so eifrig die biedere Matrone spielen, das Herz einer Straßendirne brach sich immer wieder Bahn. Das war der Grund, weshalb man Frauen wie Mildred im Blut sitzen hatte bis zum Tod.
Victor März würde sich darauf besinnen, dass er in Wahrheit keine als Mildred wollte. Mildred besitzen oder Mildred vernichten, dazwischen gab es nichts. Wenn es so weit war, würde Hector wiederkommen. Bis dahin hatte er anderes zu tun.
Kapitel 39
Frühling
D er junge Mann, mit dem Phoebe tanzte, gefiel Mildred. Sie hatte ihn schon einmal gesehen, beim Ball der Admiralität, und bereits damals hatte sie gedacht: Was für ein reizendes Gesicht. Wie schade, dass er nicht mit Phoebe tanzt, aber Phoebe ist selbst schuld, wenn sie wie ein Schluck Wasser neben Esther hockt und Löcher in den Tunichtgut Horatio stiert.
Heute stierte Phoebe keine Löcher in Horatio. Mildred hatte ihn und seine skandalöse Frau, die gerade wieder irgendwo verhaftet worden war, eingeladen, weil es ihr Spaß machte, Hector zu brüskieren, aber sie hatte sie nicht am Ehrentisch ihrer Tochter platziert. Immerhin wurde dieser Ball, das prachtvollste Fest, das Mount Othrys’ Geschichte je gesehen hatte, in Phoebes Namen abgehalten. Zu ihrem Tischherrn hatte Mildred daher Philip Lewis, den Sohn des Port Admirals, bestimmt, der eine Traumpartie war. Seine Mutter Maria, die Giftnatter von Portsmouth, hätte der Zorn über eine solche Verbindung vermutlich ins Grab gebracht. Dass aber Phoebe sich weniger für Philip als für dessen Regimentskameraden interessierte, konnte Mildred ihr nicht verdenken.
Ich in ihrem Alter hätte dasselbe getan.
Es war lange her, unendlich lange, dass Mildred sich zuletzt so gelöst, ja geradezu beschwingt gefühlt hatte. Sie hatte keine gute Woche hinter sich. Zum ersten Mal in der Geschichte des Hotels war die Zahl der Buchungen zurückgegangen, und zum ersten Mal hatte sie so kurz vor Saisonbeginn noch freie Zimmer anzubieten. Woran es lag, ließ sich nicht erklären, und das war das Schlimmste. »Vielleicht müssen Sie mit den Preisen nachgeben«, hatte Max gesagt, der inzwischen zu so etwas wie einem Vertrauten avanciert war. »Weniger Luxus, mehr Standard. Wer sich die oberste Preisklasse leisten kann,
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