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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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denkt heutzutage an regenfreie Ferien im Süden.«
    Mount Othrys ohne Luxus? Nicht im Traum hätte Mildred daran gedacht, und heute Abend war sie froh darüber. Mount Othrys war Luxus pur, war die selige Verschwendung, die sorgenfrei und gedankenlos machte. Ihr Ballsaal war ein Sinnbild nie endenden Überflusses, wie ihn die Menschen im Reich der Königin Victoria genossen. Das war es, was ihre Gäste unter ihr Dach lockte, und es würde sie auch in diesem Jahr locken. Vermutlich trafen die letzten Buchungen einfach mit ein wenig Verspätung ein.
    Mildreds Sorgen verschwammen im Rot ihres Weins. Dank ihres Beraters hatte sie einen exzellenten Tropfen aus der Vulkanerde Siziliens aufgetan. Sonne schien darin gefangen, eine Sonne, von der sie geträumt und die sie fast völlig vergessen hatte. Vor den Fenstern ihres Ballsaals fiel Regen, aber das Feuer des Weins vertrieb ihn. Die Musik tat ein Übriges. Sie war langsamer geworden, lasziver, gab den Tänzern mehr Zeit, beieinander zu verharren, verbotenes Streifen von Gliedern zu spüren, sich in eine Drehung zu legen, wie um sich vereint zu Boden zu werfen. Etwas Verruchtes haftete dieser Art zu tanzen an. Mildred war dreiundvierzig Jahre alt und hatte heiratsfähige Töchter, aber etwas in ihr mochte sich in diese Rolle nicht fügen.
    Habe ich vielleicht genug getanzt, habe ich genug geliebt, bin ich genug geliebt worden?
    Sie sah ihre Tochter, die heute das weiße Kleid einer Debütantin trug und im Arm des bezaubernden Sergeanten vorbeischwebte. Auf ihren Wangen blühten Flecken hektischer Röte, die man von fern jedoch als Rosenwangen deuten konnte. Ihr schlanker, fast zierlicher Tänzer mit den hellen Locken war eine Augenweide. Er wertete sie auf. Männer wie Frauen drehten sich nach ihnen um.
    Also war die Horatio-Krise überstanden, und das, nachdem Mildred befürchtet hatte, sie müsse einen Arzt hinzuziehen, weil das Mädchen vor ihren Augen verfiel. Mildred genoss ihren Wein und schloss halb die Augen. Gut gemacht, meine Phoebe, meine titanische Sonnengöttin. Habe ich es dir nicht versprochen? Zur Belohnung kaufe ich dir alles, was du dir wünschst.
    Mildreds Blick glitt zur Seite. Neben ihr saß der Mann, um den sie gekämpft hatte, bis sie wie ausgeblutet am Boden lag. Die Idee, sie zum Tanz zu bitten, kam ihm nicht. Die Idee, sein Glas zu erheben und ihr zuzuprosten, gar ein paar preisende Worte auf die Herrin seines Hauses zu sprechen, kam ihm erst recht nicht. Er sah sie nicht einmal an und nahm daher auch nicht wahr, dass sie ihn ansah. Ach, Hyperion. Was hätten wir besitzen können? Noch einmal verspürte sie den alten Drang, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren. War es nicht ihr Recht? Hatte sie sich nicht diesen Mann für den höchsten Preis erkauft, damit er ihr gehörte? Aber der Drang war schon so abgenutzt, dass es ihr leichtfiel, ihm standzuhalten und die Hand zurückzuziehen.
    Ihre Tochter würde mehr Glück haben. Der junge Mann, der jetzt schon den dritten Tanz mit ihr begann, wirkte in seiner Uniform schneidiger und entschlossener, als Hyperion je gewesen war. Da er mit dem jungen Lewis befreundet war, stammte er zweifellos aus guter Familie und würde, sobald er an die Gründung einer Familie dachte, sein Patent erwerben. Als Infanterieoffizier der Marine hatte er in diesen Tagen, in denen das Empire durch leicht gewonnene Feldzüge dem Globus seinen Stempel aufdrückte, schier unbegrenzte Aufstiegsmöglichkeiten. Wer weiß, vielleicht wurde er eines Tages Port Admiral, und ihre Phoebe säße auf dem hohen Ross, von dem Maria Lewis bis dahin gestürzt wäre. Dann wird alle Welt sehen, wie glücklich sie ist. Als der Tanz zu Ende war, konnte Mildred nicht länger an sich halten und lief quer über die Tanzfläche zu dem strahlenden Paar.
    »Phoebe, mein Zuckertäubchen!«, rief sie. »Wie hübsch du aussiehst! Und wir, mein Herr, sind einander wohl noch nicht vorgestellt worden …«
    »Andernfalls würde ich mich erinnern. Ich mag meinen eigenen Namen vergessen, aber niemals eine schöne Frau.« Der junge Mann sandte ihr ein hinreißendes Lächeln und verbeugte sich. »Sie gestatten? Sergeant Granville Redknapp, Portsmouth Division der königlichen Marine.«
    »Sehr erfreut. Ich bin Mildred Weaver, Phoebes Mutter.«
    Er hatte helle Augen. Nicht grau wie Hyperions, sondern wasserblau. Sein Blick flirtete mit ihrem, dass es in ihren Eingeweiden kribbelte. »Natürlich wusste ich, wer Sie sind. Wer würde die Königin von Mount

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