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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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als Ehrgeizling mit brillanten Aussichten gepriesen worden war, doch das, so fand Hector, war mit einer Geldheirat nicht gleichzusetzen.
    Als er den Salon betrat, erhob sich Bernice vom Klavierschemel. »Guten Abend, meine Beste«, sagte Hector. »Hast du einen schönen Tag verbracht?« So hatte sein Vater Amelia begrüßt, und Hector hatte sich die Phrase angewöhnt, auch wenn ihn Bernices Tag herzlich wenig scherte.
    Bernice würdigte dies wie üblich keiner Antwort, sondern schloss den Klavierdeckel. Hector vermutete, dass sie bei seinem Eintritt an das Instrument eilte, um ihm zu beweisen, wie kultiviert sie war. »Susan hat die Kinder gebadet«, ließ sie ihn mit übertriebenen Gesten ihrer dicken Hände wissen. »Sie bringt sie dir gleich. Wenn du nichts dagegen hast, gehe ich und mache mich zum Dinner zurecht.«
    Mit wackelnder Gesäßschleife verließ sie das Zimmer. Hatte sie ihn wahrhaftig jemals an Amelia erinnert? Seit der Hochzeit war sie aus den Nähten gegangen, und wenn er ehrlich war, hatte sich die Ähnlichkeit schon vorher auf die Helligkeit von Haut und Haar beschränkt. Er hatte sie gewählt, weil er sichergehen wollte, dass seine Nachkommen der ersten Mrs Weaver so wenig glichen wie nur irgend möglich.
    Bisher zumindest war dieser Plan aufgegangen. Er wollte eben die Karte vom Kaminsims nehmen, auf der er den Briefkopf von Mount Othrys erkannte, als das Kindermädchen Susan mit seiner Brut eintrat. Seine Tochter Nora, die sich an Susans Bein drückte, war, wenn schon nicht niedlich, so immerhin farblos und blond und trug ein züchtiges bodenlanges Nachthemd. Sein Sohn, den das Mädchen auf dem Arm trug, ließ noch nicht erkennen, welche Farbe sein Haar einmal aufweisen würde, denn er war glatzköpfig wie eine Nacktschnecke. Hässlich und dümmlich, fand Hector, doch er würde mit eiserner Hand dafür sorgen, dass sich das verwuchs. Er hatte dem Jungen den Namen Horatio verpasst, nach Horatio Nelson, dem Helden von Portsmouth. Dagegen verblasste Hyperion zur Albernheit.
    »Wünscht eurem Vater gute Nacht«, sagte Susan zu den Kindern. Sie war eine Augenweide, blutjung und knabenhaft schlank. Seine Tochter murmelte ein paar Worte, der fette Sohn stieß einen Grunzlaut aus, und Susan lobte beide: »So ist es recht.«
    »Danke, Sukie«, sagte Hector, wobei er anzüglich grinste.
    Sie schaffte es, mit einem Gör auf dem Arm und einem weiteren am Bein zu knicksen. Anerkennend schnalzte er, dann schickte er die drei aus dem Zimmer und wandte sich dem Kaminsims zu. Er hatte wenig Zeit, er erwartete Nettlewood und einen Gast zu einer Besprechung, die über seine Zukunft entscheiden mochte. Trotzdem vergeudete er Minuten, indem er die Karte in der Hand wog und den geprägten Kopf betrachtete.
    Hector hatte sein eigenes Haus Mount Olymp genannt und sich einen Blitze schleudernden Zeus in den Briefkopf prägen lassen. Welches Ende der Kampf zwischen den Geschlechtern genommen hatte, war hinlänglich bekannt. Der Götterhimmel der Titanen war eingebrochen und die stolze Sippschaft im Nichts versunken. Die Olympischen Götter hingegen erhoben sich, um eine Dynastie von Weltherrschern zu gründen. Dass sein Bruder das Fries des verreckenden Kronos nicht von seinem Vordach entfernen ließ, dass er es weiter im Briefkopf führte und sein Haus nicht umbenannte, war Hector unverständlich. Als würde er das Schicksal zur Wiederholung geradezu herausfordern.
    Er klappte die Karte auf. Die Worte sprangen ihm ins Gesicht. Es haben die Ehre, ihr Verlöbnis feierlich anzuzeigen … Hectors Blick glitt über die Zeilen. Endlich erfasste er die beiden Namen, und dann gab es kein Halten mehr. Er warf die Karte auf den Sims und brach lauthals in Gelächter aus.
    Wie gerufen rauschte Bernice durch die Tür. Sie trug eine Robe in Zinnober, die zu eng saß. Friss weiter, mein Täubchen, lass jeden sehen, wie gut es uns geht. »Darf ich erfahren, was es zu lachen gibt?«, fragte sie mit gespitztem Mündchen, gab sich jedoch die Antwort selbst: »Wie ich sehe, bist du bereits im Bilde. Dein Bruder verlobt sich.«
    Hector lachte, weil er das Bräutchen kannte. Und wie er es kannte! Daphne Adams aus London. Bettensaal drei, mit der Miete säumig, die geborene Herrin für Mount Othrys. Wenn er ehrlich war, hätte er seinem Bruder einen so handfesten Geschmack nicht zugetraut. Die kleine Wilde zu heiraten grenzte natürlich an Geisteskrankheit, aber den Hintern versohlt hätte Hector ihr noch lieber als Bernice. Abrupt hielt er

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