Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
Vom Netzwerk:
empfindsames Gemüt geerbt und hat Fürsorge nötig. Und Sie nicht minder, meine Liebe. Sie sehen ihr ähnlich, wussten Sie das?«
    Daphne lächelte und schwieg. Sie hatte Bilder von Hyperions Mutter gesehen und fand nicht im mindesten, dass sie dieser Schönheit ähnlich sah. Dass aber Louise Vernon es fand und vor allem, dass Hyperion es fand, brachte ihr Herz zum Hüpfen.
    Sie liebte es, wenn Dr. Vernon und seine Frau von Hyperion sprachen, von seiner Begabung als Arzt wie von seinen Qualitäten als Mensch. »Dem Himmel sei Dank, dass er Sie gefunden hat«, sagte der Doktor. »Ich habe oft genug zu meiner Frau gesagt: Wenn nicht bald eine beherzte junge Dame aufkreuzt, die diesen Menschen unter ihre Fittiche nimmt, rackert er sich zu Tode, noch ehe er dreißig ist.«
    Daphne lächelte auch dazu. Sie lächelte jetzt oft. Mit den Vernons von Hyperion zu sprechen war ihr schönster Zeitvertreib, solange er selbst nicht bei ihr war. Natürlich konnte er nicht oft bei ihr sein, er hatte seine Patienten, und hätte er sich nicht bis an die Grenzen seiner Kraft für sie eingesetzt, wäre er nicht der Mann gewesen, der er war. Sobald aber seine Zeit es erlaubte, kam er hinaus ins luftige Southsea und zog Daphne noch in der Tür in die Arme. Die Vernons wandten nichts dagegen ein. Auch gestatteten sie, dass Hyperion und Daphne beim Abendessen beieinandersaßen, als wären sie verlobt.
    Verlobt würden sie ja bald sein. Nach dem Essen legte Hyperion ihr den pelzbesetzten Mantel um, den er ihr gekauft hatte, und ging mit ihr den Kieselstrand entlang, von den Bauarbeiten am Clarence Pier fort, bis sie beide die einzigen Menschen waren. Vom Meer her tobte der Wind, und durch die Wolken brach rote Abendsonne. Daphne hatte es nie leicht gefunden, mit anderen zu reden, nicht einmal mit Mildred, aber mit Hyperion fand sie es leicht. Sie fand es auch leicht, mit ihm zu schweigen und sogar manchmal mit ihm zu lachen, weil sie wusste, dass er darin kaum geübter war als sie. Sie sahen einander an, fanden den anderen so verlegen wie sich selbst, und dann lachten sie hinter vorgehaltenen Händen.
    So einfach konnte Leben sein. So hell und warm und einfach war es in diesem Frühling mit Hyperion.
    Auf einem dieser Spaziergänge war er ihr in den Weg gesprungen, hatte sich vor sie in die Kiesel gekniet und sein Gesicht an ihr Bein gelehnt. Er trug keinen Hut. Wind zauste sein Haar. »Ich kann dich nicht fragen«, erklärte er, »denn wenn du nein sagst, wenn ich dich nicht behalten darf, ertrag ich’s nicht. Bleib bei mir, Daphne. Werde meine Frau.«
    Das bin ich doch. Bin ich’s nicht immer gewesen?
    Sie strich ihm das Haar glatt, aber der Wind zerzauste es gleich wieder. Eine Weile blieben sie reglos, dann sagte Daphne: »Aber ja doch, ja«, und Hyperion stand auf und küsste sie.
    Auf dem Heimweg erklärte er ihr, er wolle das Datum für ihre Verlobung festsetzen, die Karten drucken lassen und seine Familie vor vollendete Tatsachen stellen. »Ich bin ein solcher Feigling, ich habe Angst. Wenn ich nicht Nägel mit Köpfen mache, wage ich es nie. Meine Daphne, kannst du einen Feigling liebhaben?«
    Sie konnte ihn liebhaben und keinen sonst. Wie er es sich wünschte, so war es ihr recht, nur um eines bat sie ihn: »Meiner Schwester schick keine Karte. Ihr muss ich es selbst sagen.«
    »Ja, natürlich, Liebste. Deiner Schwester sagst du es selbst.«
    Daphnes Gewissen versetzte ihr einen scharfen Stich. Sie würde Mildred sagen müssen, dass sie Verrat an ihr beging, dass sie nicht mit ihr nach Australien fuhr und ihre Opfer umsonst waren.
    Würde Mildred allein nach Australien gehen? Hatte sie nicht geschworen, sie könne ohne Daphne nicht leben? Und wollte Daphne ohne Mildred leben? Sie muss bei uns bleiben, bei mir und Hyperion, wir müssen für sie sorgen wie für eine Königin. Als sänge jemand vom Meer her, glaubte sie auf einmal ihr Lied zu hören.
    »Wenn ich erst König bin, dilly dilly,
    Wirst du meine Königin.«
    Die Wochen der Leichtigkeit waren vorüber. »Ich glaube«, sagte Daphne zu Hyperion, der ihre Hand in der seinen hielt, »ich glaube, ich bin den Vernons jetzt schon recht lange zur Last gefallen.«
    »Du fällst ihnen nicht zur Last. Louise sagt unentwegt, wie froh sie ist, dich um sich zu haben. Bist du nicht gern bei ihnen?«
    »Doch«, antwortete sie, »aber ich denke, es wäre gut, bald irgendwo zu Hause zu sein.«
    »Irgendwo, Daphne? Du wirst auf Mount Othrys zu Hause sein.«
    Daphne holte Luft und

Weitere Kostenlose Bücher