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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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verlangen, es mit dem Teufel aufzunehmen, aber geduldig abzuwarten trieb sie ans Ende ihrer Kräfte. Wie sollte sie sich Hyperion unentbehrlich machen, wenn sie ihn kaum zu Gesicht bekam? Er arbeitete von früh bis spät, und hatte er sein Tagwerk beendet, sah er nach Daphne. Für Mildred blieb keine Zeit. Keine einzige Stunde.
    Immerhin gelang es ihr, Sarah zu entlocken, wer in der Familie zu wem gehörte. Amelia, die Klavierspielerin, war Hyperions Mutter, allem Anschein nach ein Wunderwesen, das alle Welt verehrt hatte. Ihr Tod war die Tragödie des Hauses, über die man beklommenes Schweigen bewahrte. Hyperions Vater George, der mit seinem Holzhandel in schwindelerregende Höhen aufgestiegen war, hatte seine Liebste nur um wenige Jahre überlebt. Seine Mutter hingegen, die Madam aus dem Altenteil, war unverwüstlich wie Sattelleder und schwang im Haushalt ihr Zepter. Mitleid mit Hyperion ergriff Mildred. Hatte er, so sehr er sich abrackerte, unter seinem Dach überhaupt etwas zu sagen?
    Obgleich sie Erlaubnis hatte, sich zu Bett zu begeben, sobald ihre Arbeit erledigt war, blieb Mildred wach und wartete unter der Stiege, bis sie Hyperion kommen hörte. Sarah wärmte ihm die Abendmahlzeit, und Priscilla tischte ihm und der Großmutter auf, während Mildred ausgeschlossen blieb. Sie bemerkte aber seine Gewohnheit, als Erstes hinauf in sein Schlafzimmer zu eilen und sich im erkalteten Wasser die Hände zu waschen. Hyperion war vom Waschen besessen. Mildred hatte es bereits am Milton’s Court bemerkt. Von den schönen Händen schälte sich die Haut in Fetzen, so häufig waren sie dem kalten Wasser ausgesetzt.
    Am nächsten Abend würde sie, ohne Sarah und Priscilla zu fragen, die Porzellanschüssel aus Hyperions Zimmer hinunter in die Spülküche tragen und Wasser wärmen. Den ganzen Tag über freute sie sich darauf, und die öde Arbeit mit dem Staubwedel ging ihr leicht von der Hand. In einer Pause stieg sie hinab in den Vorratsraum, wo in einem Schrank die Seifensachen aufbewahrt wurden. Sie hatte Glück. Sarah war auf dem Markt, und Priscilla putzte Silber, eine Tätigkeit, bei der sie nichts hörte und nichts sah. In schönster Ruhe wählte Mildred aus dem Vorrat ein Stück wie Butter schimmernde Seife, ging dann weiter in die Wäschekammer und nahm ein weichleinenes Handtuch mit Monogramm heraus, das sie für ein paar Stunden ans Feuer hängen wollte.
    Hyperions arme Hände würden sich, wenn er sie heute ins Wasser tauchte, liebkost, nicht geschunden fühlen. Einem Mann nach einem langen Tag Waschzeug richten war etwas anderes als Stiefel putzen, es war Arbeit, die einer Gattin zukam. Sie legte alles bereit und vermochte dann kaum die versickernden Stunden zu ertragen, ehe sie endlich die Räder des Einspänners auf dem Pflaster hörte. Man brauchte ein ausgezeichnetes Gehör, um das Knirschen zu vernehmen, doch Mildred hatte wochenlang Zeit gehabt, das ihre zu schärfen.
    Eilig hob sie die Schüssel vom Feuer, zuckte nur kurz zusammen, als ihre Hände das heiße Porzellan umfassten, und trug das Gefäß die Marmortreppe hinauf. Sie legte Handtuch und Seife bereit und gönnte sich einen Moment, um den Duft des Raums aufzunehmen. Es war vermutlich der sauberste Duft, den man sich denken konnte. Nichts Tierisches haftete ihm an.
    Weil ein Mann wie Hyperion sich nie wie ein Tier gebärden würde. Weil er ein Mann des Geistes, nicht des Leibes ist. Als sie die Schritte auf dem Marmor hörte, schlüpfte sie aus dem Raum, presste sich mit dem Rücken an die Wand und tastete sich so lautlos wie möglich durch den Gang, um unauffällig zu verschwinden. Nur gehörte eben lautlose Unauffälligkeit nicht zu Mildreds Talenten. Sie sah den Mann, an den sie unentwegt dachte, auf den Absatz springen, trat zur Seite und stieß mit der Hüfte an einen Ziertisch, der mit einem Krachen umstürzte.
    Die Augen zuzukneifen war lächerlich. Als Mildred sie öffnete, traf sie Hyperions Blick. Abrupt senkte sie den Kopf und starrte auf das Muster des Läufers, verschlungene Ranken, die sich zu Knäueln ballten. Priscilla schoss aus Hyperions Schlafzimmer. »Uns trifft keine Schuld, Sir, uns nicht! Hundertmal haben wir ihr gesagt, sie soll von allem, was sie nicht versteht, die Finger lassen, aber die kommt aus der Londoner Gosse, der bringt man im Leben nichts bei.« Wie zum Beweis schwenkte sie den buttergelben Block. »Sattelseife hat sie Ihnen hingelegt. Zum Händewaschen!«
    »Es ist gut, Priscilla. Zu Bruch gegangen ist ja

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