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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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schluckte, dann sagte sie: »Schön. Also meine ich wohl: Es wäre gut, bald auf Mount Othrys zu sein.«
    Sie kannte sich so nicht. So sicher in dem, was sie wollte. Hätte sie nicht zweifeln müssen, sich mit Mildred beraten? Von der Seite sah sie Hyperions Gesicht und empfand einzig Gewissheit. Sie mochte in ihrem Leben noch nie etwas richtig gemacht haben, aber diesen Mann zu heiraten war richtig. Während sie in Romanen las und sich aus ihrer Welt davonträumte, hatte sie sich nicht selten gefragt, wie man Liebe erkannte und ob es zu Irrtümern kam. Bei Hyperion aber war jeder Irrtum ausgeschlossen. Sie hatte sich nie gefragt, sondern nur gewusst: Er und ich sind eins.
    Sie kamen überein, dass ihm ein paar Tage Zeit bleiben sollten, um alles vorzubereiten, ehe er sie als seine Braut nach Hause holte. In derselben Zeit wollte sie überlegen, wie sie es Mildred beibrachte, ohne dass die Schwester sich verraten fühlte.

Kapitel 9
    Hoher Frühling
    I n einer Pause zwischen zwei Operationen rannte Hyperion hinüber zum Postamt, um Verlobungskarten an entfernt lebende Verwandte aufzugeben. Man konnte inzwischen eine Briefmarke mit dem Bild der Königin auf einen Umschlag kleben und ihn in eine der überall aufgestellten grünen Briefsäulen werfen, aber diesem seltsamen Verfahren mochte Hyperion seine kostbare Fracht nicht anvertrauen. Es ging um seine Verlobung, um Daphne, da brachte er den Stapel Umschläge lieber höchstpersönlich zur Post.
    In einer der Schlangen vor den Schaltern entdeckte er Hectors Deutschen. Etwas an dem Mann berührte ihn, sooft er ihn sah. Verdankte er nicht ihm sein Glück? Hätte er nicht in der Weihnachtsnacht an seine Tür gehämmert, hätte er Daphne nie gesehen. So sehr er sich bemühte, Hyperion vermochte sich diese Möglichkeit nicht vorzustellen. Seine Sorgen waren nicht geringer geworden, er hatte noch immer für jedes Bett fünf Kranke, es starben ihm noch immer Menschen unter den Händen, die rechtzeitige Hilfe hätte retten können, und noch immer fehlte es ihm an reichen Patienten, die für die Armen mitbezahlen konnten, aber die Schuld, die er auf sich lud, hatte jetzt einen Ausgleich. Es gab einen Menschen, dem er Glück bedeutete, nicht Leid.
    Und das verdankte er dem Deutschen. »Mr Victor«, rief er spontan, weil ihm der Familienname des Mannes nicht einfiel, trat neben ihn und zog seinen Hut. »Wie geht es Ihnen? Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, seit wir uns zum letzten Mal begegnet sind.«
    Der Deutsche trug seine Kappe nicht mehr. »Ist kein Wunder, oder? Wir verkehren nicht in denselben Kreisen.«
    »Doch, das tun wir«, widersprach Hyperion. »Wir haben sogar gemeinsame Bekannte.«
    »Und wer soll das sein?« Der Deutsche sah müde aus. In beiden Händen hielt er einen prall gefüllten Beutel.
    »Die Schwestern Adams, deren Bekanntschaft ich Ihnen verdanke. Miss Mildred ist derzeit in meinem Haus als Mädchen tätig, wobei sich das bald ändern wird, und Miss Daphne …«
    »Warum wird sich das ändern?«, herrschte der Mann, in den mit einem Schlag Leben fuhr, ihn an. »Wollen Sie Miss Mildred etwa wieder auf die Straße setzen, nach allem, was sie durchgemacht hat? Wollen Sie sie zurück nach Milton’s Court schicken, so schlimm, wie es dort für sie war?«
    »Aber nicht doch!« Hyperion hob die Hände. »Ich habe in Kürze Grund, Miss Mildred als Mitglied meiner Familie zu betrachten. Selbstredend wird sie dann nicht länger als Mädchen in meinem Haushalt leben, sondern als geschätzte Schwester und Schwägerin.« Ohne zu wissen, welcher Teufel ihn ritt, nahm er den Mann beim Arm. »Hören Sie, Victor, Miss Daphne und ich geben in der ersten Maiwoche ein Fest zu unserer Verlobung. Machen Sie uns die Freude und seien Sie unser Gast. Ohne Sie würde es schließlich dieses Fest gar nicht geben.«
    Der große Mann sah ihn an, als verstünde er nicht. Hinter ihnen begannen ein paar Frauen zu kichern. »Sie verloben sich? Mit Miss Mildred?«
    »Aber nein, mit ihrer Schwester, Miss Daphne. Sie haben mich doch damals zu ihr geholt, als sie mit dem Fleckfieber lag.«
    »Ah!«, stieß Victor aus. Seine Züge entspannten sich. »Die arme Miss Daphne. Hat gar keine Kraft.«
    »Glauben Sie mir, ich werde so gut für sie sorgen, wie es menschenmöglich ist. Versprechen Sie, dass Sie kommen?«
    »Wenn Sie es wünschen. Und Miss Daphne und Miss Mildred auch.«
    »Sie werden sich freuen. Von ihrer eigenen Familie kommt ja niemand.«
    »Das wundert mich nicht.«
    Es waren nur

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