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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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Hosenboden mit mir.«
    Sie schnaubte und warf den Kopf mit dem schönen Haar zurück.
    »Verzeihen Sie.«
    Er wollte sich gerade erheben, da sprang sie die fehlende Stufe hinunter und setzte sich an seine Seite. Er vernahm ihren heftigen Atem, ihr ganzer Körper bebte. »Danke«, sagte er.
    »Da ist nichts zum Danken.«
    Sie schauten beide hinunter auf den Stein, als fänden sie nicht mehr den Mut, einander anzusehen. »Ich möchte nicht länger, dass Sie in diesem Haus die Arbeit einer Magd verrichten«, sagte Hyperion. »Ich gebe Sarah und Priscilla Bescheid.«
    »Und was möchten Sie, dass ich tue?«
    Händeringend suchte er nach einer Antwort. »Das, was eine Schwester täte«, sagte er schließlich, wusste aber, dass etwas daran ganz und gar nicht stimmte.
    »Ich bin nicht Ihre Schwester«, bemerkte Mildred. »Es würde das Leben erleichtern, wenn jeder wüsste, was ich bin.«
    Hatte ihr Daphne geschrieben, war sie schon eingeweiht? »Selbstverständlich«, sagte er eilig. »Am Wochenende spreche ich mit meiner Großmutter. Sie haben mein Wort darauf.«
    »Das ist gut«, murmelte sie. »Heute nämlich kam der Fischmann und verlangte Geld, aber Sarah war auf dem Markt. Ich hab ihm nichts geben und ihm auch nicht sagen können, er habe gefälligst zu warten, weil ich ja niemand bin. Also hat er den Fisch wieder mitgenommen, und es ist nichts zum Freitag im Haus.«
    »Der Fischmann hat sein Geld verlangt? Wird der denn nicht am Monatsersten im Voraus bezahlt?«
    »Wie soll ich das wissen?« Ein wenig pikiert zuckte Mildred mit den Schultern. »Stünde ich diesem Haushalt vor, würde ich über alles Buch führen. So jedoch sagt mir kein Mensch, was vor sich geht.«
    Das war dreist, aber ihm gefiel es. Womöglich wäre es ein Segen für den Haushalt, wenn sie ihm vorstünde. Die Sache mit dem Fischhändler musste er in Ordnung bringen. War er ehrlich, so hatte er keine Ahnung, was sonst noch im Argen lag, doch er war entschlossen, das zu ändern. Wenn demnächst sein Quartalsanteil aus dem Holzhandel fällig war, würde er sich einen Überblick über die Konten verschaffen und an faulen Stellen für Ausgleich sorgen.
    Und als Nächstes brauchte er dringend mehr betuchte Patienten. Anschaffungen würden nötig sein, und an seiner Hochzeit wollte er nicht sparen. Das Spital würde eben häufiger auf ihn verzichten müssen, damit es Daphne an nichts fehlte. Sie hatte ihm erzählt, wie sie als Kind aus Furcht vor Geldeintreibern nicht hatte schlafen können, und eine solche Erfahrung sollte ihr für den Rest ihres Lebens erspart bleiben.
    »Dr. Weaver?« Leicht stieß ihn Mildred mit dem Ellbogen. »Ich habe wohl etwas Falsches gesagt.«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich muss schon wieder um Verzeihung bitten. Mir sind die Gedanken davongaloppiert.«
    »Das muss schön sein.«
    »Was?«
    »Galoppieren«, antwortete Mildred träumerisch. »Auf einem Pferd reiten, und die Leute unter einem sind klein und weit weg.«
    »Finden Sie das wirklich schön? Ich finde es anstrengend, aber wenn Sie Lust darauf haben, sorge ich dafür, dass Sie zum Reiten kommen.«
    Jetzt sah sie ihn an. Ihre Augen glänzten. »Meinen Sie das ernst?«
    »Todernst.« Er lächelte. »Versprechen Sie mir, dass Sie sich nicht den Hals brechen, wenn so ein Gaul mit Ihnen losprescht. Ihre Schwester würde mir im Leben nicht verzeihen.«
    »Meine Schwester hat Angst vor Pferden.«
    »Ich auch.«
    Sie wandte den Blick nicht von ihm. »Dr. Weaver …«
    »Hören Sie«, bat er, »können Sie sich wohl dazu durchringen, mich Hyperion zu nennen? Ich weiß, es ist kein sehr gefälliger Name, und als Omen ist er geradezu fatal, aber meiner Mutter gefiel er. Wie gesagt, sie hatte eine Schwäche für das in Schönheit Sterbende.«
    »Mir gefällt er«, unterbrach sie ihn. »Warum sollte jeder John oder Harry heißen, und was ist falsch daran, wenn der Name eines Mannes seinen Stand und seine Bildung verrät?«
    Schon wieder war ihm zum Lachen zumute. »Also abgemacht?« Er hielt ihr seine Hand hin, und sie schlug mit ihrer sehnigen, festen Hand ein. Im Aufstehen fiel ihm etwas ein. »Ich soll Sie übrigens von jemandem grüßen.«
    »Von wem?«
    »Von Victor März.«
    Sie sah zu ihm auf. »Den kenne ich nicht.«
    »Aber natürlich kennen Sie ihn«, entgegnete Hyperion. »Es ist der bemerkenswerte Deutsche, der bei meinem Bruder arbeitet. Er hat mich damals geholt, als Daphne krank war, und heute habe ich ihn auf dem Postamt getroffen, wo er sich ein Sparbuch

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